Flug um Arkona

Sonnenaufgang auf dem Weg zum Kap

Ganze drei Tage bleibe ich in Glowe und lasse es mir gut gehen. Die Marina liegt zwischen zwei Stränden, einem wunderschönen Naturbelassenen und dem für Badegäste. Ich nutze beide, verpflege mich an den Imbisshütten am Ende der Promenade, verproviantiere mich erneut im nahegelegenen Supermarkt, Baden, Wandern, Chillen, Muscheln und Federn sammeln, Fotografieren und Postkarten schreiben. Ich genieße das Alleinsein und spüre, dass ich gerade kaum ein Bedürfnis in mir finde, andere Bootsleute kennen zu lernen. Ich erreiche eine völlige Selbstzufriedenheit und freue mich auf die Rundung des Kap Arkona.

Am Mittwoch sind 4 bis 5 bft aus Ost angesagt. Es müsste mich geradezu mit Leichtigkeit ums Kap herum schieben. Ich möchte zur Insel Hiddensee, entweder Kloster oder Vitte. Letztlich entscheide ich mich für Kloster und frage vorsorglich telefonisch in der Marina an. Ich solle nicht zu spät kommen, aber eine kleine Dehler bekommen sie wohl immer irgendwie unter. Es wird voll sein, Kloster eben...

395.6sm stehen in meinem Logbuch. Das klingt nicht viel. Früher auf Langfahrt, war das das Etmal von 3 bis 5Tagen. Und ich arbeite hier schon seit August letzten Jahres daran. Sicherlich, ich habe nicht jede kleine Haffrunde auch notiert, dennoch bin ich überrascht, wie mühsam sich die Zahl steigern lässt. Aber heute werde ich die 400er Marke knacken, soviel steht fest. Ca. 26 sm stehen mir bevor. Ich rechne mit ungefähr 7 Stunden Fahrtzeit, wenn es schlecht läuft mehr. Noch am Vortag trinke ich ausreichend. Am nächsten Morgen jedoch gibt es keinen Kaffee und erst später etwas Wasser, denn wenn ich die Segel gesetzt habe, wird jede Pinkelpause zur Herausforderung an der Pinne ohne meinen Autopiloten. 

Früh 5.00Uhr klingelt mein Wecker, was er nicht müsste. Ich bin schon wach, das ist der Aufregung geschuldet. Immer das gleiche! Proviant habe ich bereits am Abend vorbereitet. Noch schnell Heißwasser für die Thermoskanne vorbereiten, dann geht es auch schon mit absoluter Windstille aus der Marina. Perfekt fürs Ablegen. Ich spekuliere ohnehin mit einer ordentlichen Brise draußen auf der Ostsee. und ich irrte mich nicht.

Zunächst bin ich unter voller Besegelung unterwegs. Mittig der Bucht zwischen Glowe und Breege ändere ich aufs 1.Reff und das war auch gut so. Es standen 5-6 knt Fahrt auf der Logge. Irgendwann landete ich auf 8knt. Hohe Brandungswellen begleiteten uns. Was für eine Schaukelei! Ich erinnere mich an die Atlantiktouren. Damals kam es mir unvorstellbar vor, einmal alleine mit meinem Segelboot unterwegs zu sein. Und nun liegt Kap Arkona vor mir. Ich weiß gar nicht, was in Akua gefahren ist, so flott unterwegs erlebte ich sie noch nie. Wenn das so weiter gehen würde, wäre ich noch vor Mittag in Kloster... Mit Halbwind ging es schnurstracks zum Kap. 


Das einzige Foto vom Kap, ich hatte zum Fotografieren keine Hand frei, doch die Erinnerungen bleiben in meinem Herzen!

Ich wusste schon, dass es was ganz besonderes sein wird, doch sich zu fühlen, als ob man gerade Kap Horn erreicht hätte, hätte ich doch für übertrieben gehalten. Mir war aber wirklich so. Wenn ich Arkona hinter mir lasse, befinde ich mich bereits auf dem Heimweg und das wiederum meint, ich werde Rügen definitiv runden, ein Zurück wäre sicherlich machbar aber auch ziemlich dämlich. Und wenn ich Rügen runde, dann könnte ich vielleicht auch Usedom noch mitnehmen. Das wäre eine schöne 8 und zwei Fliegen mit einer Klappe erlegt. Ich sagte mal, wenn ich die beiden Inseln geschafft habe, dann mache ich mich auf den Weg nach Schweden. Bin ich dann wirklich schon bereit dafür? Akua beeilt sich nach wie vor. Ich zweifle an meiner Logge, denn mein Boot wäre nicht in der Lage über seine eigene Rumpfgeschwindigkeit zu gelangen, es sei denn... Es wird sich aufklären, wenn ich in Kloster bin.


    

Mit achterlichem Wind ziehe ich an der Nordküste Rügens vorbei und segle den gesamten Tonnenstrich mit aufgeholtem Schwert bis Kloster. Klein und eng soll es in der Marina zugehen. Ob das wohl gut geht? Tatsächlich! Noch vor Mittag erreiche ich den Hafen. Von weitem rief mir der Hafenmeister zu, wo ich festmachen könne. Ich war eine der ersten und noch immer kamen mir Segler, die gerade erst gestartet sind, aus Kloster entgegen. Da wo ich hin sollte, war es sau eng und wirklich alles was nicht beschäftigt war, beobachtete, wie ich mich da so beim Anlegen anstelle. Bei der Anmeldung im Hafenbüro fand der Hafenmeister anerkennende Worte. Tatsächlich lege ich mittlerweile zwischen den Dalben so an, als ob ich nie etwas anderes gemacht hätte. Erklären kann ich mir das nicht, aber jetzt, wo ich mit meiner Feststellschraube am Ruder intensiver arbeite, hab ich Akua noch besser im Griff.


Hiddensee


Hiddensee ist für mich etwas ganz besonderes. Schon als Kind strahlte die Insel für mich ein kleines Paradies aus. Zwar stört mich ein bisschen der Schutzwall am Strand von Kloster, doch ich halte mich dort nicht lange auf, wandere nach Vitte, um den Hafen zu besuchen und fand aber, dass sich meine Entscheidung für Kloster durchaus gelohnt hat. Am frühen Morgen begebe ich mich zum Leuchtturm, und laufe den schönen Naturstrand ab. Ich fühle mich wohl hier, besonders wenn mir keine Leute begegnen. 

Kloster ist voll von Maskenträgern, die selbst draußen an der frischen Seeluft Angst haben, ohne Stoff im Gesicht nicht gesund zu bleiben. Ich stelle ohnehin fest, dass oft dort, wo viele Touristen sind, verstärkt die Maske auch draußen im Freien getragen wird. Und ich bemerke, dass ich mich immer mehr vor Menschen zurückziehe, die Mutter Erde mit solch Abweisung begegnen. Statt Matsch und Dreck, Desinfektion und Maske nicht nur für Kinder, grad so, als ob es so etwas wie ein Immunsystem und Selbstheilung nicht gäbe und sich kaum noch jemand daran erinnert, wie Allergien und Autoimmunerkrankungen überhaupt entstehen. Für mich kann das nicht gesund sein. Und tatsächlich möchte ich mich hier nicht weiter aufhalten. Ich spüre Sehnsucht nach meinem Zuhause, nach dem Haff und der Ursprünglichkeit der Einwohner dort, nach meinem Seemann. Zuhause weiß ich, wo ich einkaufen kann, ohne dass ich jedes Mal aufs Neue nach meinem Attest gefragt werde oder mir gar unterstellt wird, dieses Attest hätte keine Berechtigungsgrundlage. Mit Hochdruck arbeitete ich bereits daran, auch mit einer Maske im Gesicht einkaufen zu gehen, nicht weil ich mich vor Corona fürchte, sondern vor den Menschen, die unter Solidarität verstehen, alle würden die gleichen Voraussetzungen mitbringen. Aber ich glaube kaum, dass jemand mit mir tauschen würde, wenn das ginge... Ich kann kaum noch unterscheiden, was mich mehr belastet und stresst, die Maske zu tragen und die Folgen anschließend wieder auszugleichen oder die grimmigen Blicke und Worte der Menschen, die mich als Gefahr und Störenfried betrachten und mich deren Worte tief verletzten. Ich scheine in Ihnen etwas auszulösen, was ich erst viel später kapiere. Doch das wird noch Monate dauern, wie ich heute weiß...







Im Hafen von Kloster liegt noch eine Dehler 28. Ich komme mit dem Eigner ins Gespräch und frage ihn, wie es möglich sein kann, dass Akua über 8 knt gelaufen ist. Er lachte. Schon viele Jahre kurvt er zwischen den Inseln herum. Er kennt sich aus und von Kloster nach Stralsund und wieder zurück an einem Tag, bewältigt er mit Leichtigkeit. Die Strömung ums Kap bis Hiddensee sei die Ursache und natürlich der Ostwind.

8,1 knt in der Spitze, 421 sm gesamt und Kap Arkona stehen nun in meinem Logbuch geschrieben. Es war der schärfste Trip bislang mit Akua und das ohne meiner Pinnensteuerung. Kann ich jetzt sagen, dass ich eine Seglerin bin? Wann ist überhaupt der richtige Zeitpunkt dafür? 


Blick ins Logbuch:

Glowe - Kloster (Rügen - Hiddensee)
5:44 bis 10:46 Uhr 7 5:01:40
25,9 sm / 48,1km
Ostwind / 4-5 bft

Kommentare