Das Tor zur Ostsee
Mein Liegeplatznachbar fragt sich, was an Sassnitz so besonderes für mich sei. Das letzte mal musste er notgedrungen in diesen Hafen, ansonsten lässt er ihn links liegen. Er stammt von der Insel, er muss es ja wissen. Doch ich lasse mich nicht beirren, kann aber auch nicht wirklich erklären, warum ich ausgerechnet Sassnitz so unbedingt anlaufen möchte. Es wäre das dritte mal, dass ich den Hafen mit einem Segelboot besuchen würde, diesmal aber mit meinem eigenen. Das erste mal vor vielen Jahren, ich glaube das muss 2007 mit einem Charterboot gewesen sein, eine 40Fuß Hanse. Das zweite Mal mit dem Boot meines damaligen Lebensgefährten, einer 39er Bavaria. Diesmal steht eine 2 davor. Mit 8,5m Länge über alles bin ich nun unterwegs und es wird mein erster Törn einhand auf der Ostsee sein. Kein Wunder, dass ich die ganze Nacht vor Aufregung kaum geschlafen habe. Mein Bootsnachbar amüsiert sich über mich, doch gleichsam spüre ich, wie er sich zurückerinnert an seine ersten Segeltörns. Bei ihm scheint es wirklich viele Jahre her zu sein. Auch er ist nun auf einer Dehler unterwegs.
8:00 Uhr wollen die Fides und ich starten. Acht war vereinbart und da geht’s auch los, mit oder ohne Wind. Motoren ist angesagt und dennoch setzte ich sofort die Segel. Bis Tonne 5 tuckert Akua, dann segle ich endlich, noch gebunden am Tonnenstrich. Wie unangenehm ich das mittlerweile finde. Ich wünsche mir mehr Raum, mehr Platz, ich wünsche mir endlich das große Wasser!
Immer mehr öffnet der Bodden sein Tor zur See. Auch wenn die Fides sich an den Tonnenstrich der Großschifffahrt hält und beharrlich motort, breche ich aus und nehme Kurs auf Ruden. Die Segel füllen sich prall, ich nehme Fahrt auf. Keine Tonnen mehr, nur auf ein paar Untiefen muss ich noch achten, aber auch das wird bald Geschichte sein.
Irgendetwas scheint mit meinem Autopiloten nicht zu stimmen. Noch auf dem Tonnenstrich lief Akua mir ständig aus dem Ruder. Nun, auf dem Steuerbordbug scheint alles wieder ok zu sein. Doch kaum dass ich wende, schon geht das Geeier wieder los. Das Blöde ist, dass mein Display kaputt ist. Ich sehe nicht, was dort steht und kann auch nicht neu kalibrieren. Und je mehr ich daran rumfummel, desto schlimmer wird die Nummer. Also erstmal den Wind so nutzen, dass Akua Kurs halten kann. Geht es auf den Backbordbug muss ich eben selber steuern. Ärgerlich das Ganze! Zumal ich bereits ein Ersatzdisplay schon in der Wintersaison über Ebay Kleinanzeigen besorgt habe.
Der Ärger ist schnell vergessen, sobald ich auf die Küste blicke. Zuerst sehe ich Thiessow und erinnere mich so gleich an den Motorbooturlaub mit meinem Seemann. Mit den Rädern fuhren wir von Gager zum Thiessower Strand. Nun sehe ich ihn vom Wasser aus.
Nordperd |
Bis Göhren dauert es eine gefühlte
Ewigkeit. Ich muss kreuzen, irgendwann sogar motoren, dann schaffe
ich endlich das Kapp Nordperd und damit den östlichsten Punkt der
Insel Rügen. Auf mich warten nun die Ostseebäder Baabe, Sellin und
Binz. Wie oft stand ich dort am Strand, bohrte meine Zehen in den
Sand und schaute weit aufs Wasser. Ich konnte nicht glauben, einmal
ganz allein auf einem Boot zu sein, dort draußen. Jetzt kommt es mir
so vor, als ob ich zu mir zurück schaue und mir winke. So weit sind
wir gekommen, höre ich mich still zu mir selbst rufen und habe
Tränen in den Augen. Ich lasse die Segel fallen und verliere sofort
an Geschwindigkeit. Ich will einfach nur ins Wasser springen, mit dem
Blick auf Sellin und Binz genieße ich den Sommer. Akuas Hinterteil
stampft im Wasser. Ist das schön!
Sassnitz! Ich erspähe den kleinen grünen Leuchtturm. Was sagte mir mein Seemann? Ich möge den Turm großräumig umfahren, die Einfahrt sei ziemlich versandet und hole ordentlich aus. Stutzig wurde ich erst dann, als mich ein Segler steuerbord überholt und zwar ziemlich dicht am Turm. Ich war vielleicht eine viertel Meile entfernt. Ich stellte mir die Frage, was wohl großräumig sei und begriff so langsam, dass ich mich damit komplett vertan habe. Wenn ich das meinem Seemann erzähle...
Der Hafen kam mir größer vor, als ich ihn in Erinnerung hatte. Ricarda und Frank von der Fides waren schon da und halfen mir einen guten Platz zu bekommen. Ich habe Wind von Achtern, nicht gerade das, was ich mir freiwillig antun würde. Sicherlich, mit dem Motor kann man immer noch bremsen, aber beim Aufstoppen läuft Akua auch gern mal aus dem Ruder. Ich habe noch nicht den Dreh raus, wie ich mehr Stabilität ins Ruder bekomme, ohne permanent nach der Pinne zu greifen. Nichts desto trotz, ich komme gut rein und habe ja meine beiden Helferlein von der Fides.
Ricarda und Frank von der Fides |
Kaum festgemacht, bekomme ich auch gleich einen Liegenachbarn. Eine hübsche Hiddensee versucht anzulegen, verpasst jedoch die Dalben und liegt plötzlich quer zum Steg. Der betagte Eigner ärgert sich und schüttelt über sich selbst den Kopf. Später kamen wir ins Gespräch, erzählten über unsere Boote und Reisen. Irgendwann fragte ich Ihn, was ich tun könne, immer wenn ich auf einen Liegeplatz zwischen Dalben steure, verstellt sich mein Ruder. Sobald ich mich auf dem Boot bewege, dann muss ich wieder an die Pinne und es beginnt hektisch zu werden. Das beschäftigte mich schon die gesamte Fahrt. Er schlug den Autopiloten vor. Und dann erkenne ich die Lösung. Sie lag die ganze Zeit vor mir. Vielleicht benutze ich einfach meine Feststellschraube vom Ruder???
Diese Entdeckung brachte ungeahnte Möglichkeiten hervor. Sie rettete mir die gute Laune, denn nachfolgend werde ich ohne meinen Autopiloten unterwegs sein, denn dieser hält absolut keinen Kurs mehr. Und das bedeutet immer und ausnahmslos an der Pinne zu hocken, kein Kaffee zwischen drin, keine Klo, kein Chillen vorn auf dem Deck. Und das, wo jetzt vor mir die längeren Törns liegen. Ich bin sauer und wütend auf mich und könnte heulen. Es ist Akua, die mich beruhigt. Ich spüre, wie sie mir sagt, dass sie es schön fände, wenn ich diese Erfahrung mit ihr mache – einhand segeln ohne Piloten – eine Erfahrung der ganz besonderen Art. Von allein wäre ich nie auf diese Idee gekommen. Akua sollte Recht behalten, ich lerne sie nun von einer ganz anderen Seite kennen. Und wieder wuchsen wir ein Stück näher zusammen.
Letzter Satz aus meinem Logbuch:
Ich bin in Sassnitz!
Blick ins Logbuch:
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