Maststellen, Taufen und Slippen


Akua wartet in der Lagunenstadt auf uns. Bereits zwei Tage zuvor trailerten wir sie zur Slipanlage und versuchten den Mast zu stellen. Beim ersten Versuch kam uns die Dunkelheit in die Quere. Es hatte keinen Zweck, wir mussten abbrechen. Beim Zweiten Versuch steht der Mast, aber dann fiel mir auf, dass das Fall vom Vorsegel fehlt. Und dabei hab ich mir alles, wirklich alles ganz genau angeschaut. Sicherlich hätte ich es etwas einfacher gehabt, wäre ich beim Mastlegen mit dabei gewesen. Doch diese Ausrede lasse ich vor mir nicht gelten. Es nützt nichts, der Mast muss wieder runter. Mein Seemann und ich sind uns einig, wir benötigen eine weitere Hand. Der Mast mit all seinem Gedöns und festen Vorstark ist einfach zu unhandlich und zu schwer, der Weg von der Plicht aufs Kajütdach zu umständlich. Fällt der Mast aus der Hand, knallt er auf den Heckkorb. Ich hab schon einige Varianten gesehen, wo in diesem eine Delle war. Das möchte ich vermeiden.


Am dritten Tag bekommen wir Hilfe von einem befreundeten Seglerehepaar, Brigitte und Holger. Ich freue mich über diese Unterstützung. Der Mast ist schnell gelegt, dass Fall ebenso schnell verknotet und zack, erneut steht der Mast. Alles in allem brauchen wir vielleicht eine halbe Stunde dafür. Ich bin zufrieden und bekomme noch Fotos von Brigitte geliefert. Und wenn wir schon alle Mann auf der Akua sind, wird auch der Baum mit dem Groß montiert und das Vorsegel samt Persenning aufgezogen. Ich bin doch überrascht, dass alles zum Mast vorhanden ist und passt. Jetzt sieht sie wirklich wie ein richtiges Segelboot aus!




Mein Seemann besorgte mir für die Taufe Sekt – alkoholfrei versteht sich - Akua und ich mögen und vertragen keine Prozente. Eine Rede solle ich halten und Akua einen Schluck abgeben. Der Kiel wird nass, die Flasche läuft über und ich bringe kein Wort heraus. Eigentlich hab ich schon alles zu Akua gesagt, ohne Worte und in der Zeit, als sie noch in der Lackiererei stand. Ich halte die original Varianta Tasse in der Hand. Das erste überhaupt von einer Varianta was ich erwarb, war das original Geschirr. Über Ebay-Kleinanzeigen wurde es angeboten und scheint heiß begehrt. Damals war das für mich Ausdruck dessen, dass ich mein Vorhaben ernst meine und nehme. Nun stehe ich wortkarg neben meinem Boot und kann noch immer nicht glauben, dass wir kurz davor sind, sie ins Wasser zu slippen. Mit mir ist mein Seemann, der mich die ganzen Monate tatkräftig unterstützte und ich ihn von Tag zu Tag immer mehr liebe. Mit mir sind Brigitte und Holger, die ersten Ueckermünder, die ich kennen lernte. Ich bin den Tränen nahe aber zu aufgeregt, um mich diesen hinzugeben.


Mein Seemann steuert rücklings die Akua zur Slipanlage. Der Hafenmeister öffnet die Kette. Brigitte hält oben auf der Pier den Festmacher Achtern, ich vom Bug. Keiner hat eine Hand für Fotos frei. Die Akua rollt die Rampe hinab und...


… hat es besonders eilig. Sie droht vom Trailer zu rutschen. Fassungslos und irritiert schauen wir der ungeduldigen Akua zu. Was tun? Den ganz genauen Ablauf weiß ich nicht mehr. Ich hatte nur Sorge, dass sie die Slipbahn runterdonnert, aufs frisch reparierte Ruderblatt knallt und auf den blank polierten Rumpf umfällt. Die Männer entscheiden sich, Akuas Bug erneut am Trailer mit dem Gurt zu fixieren und verzichten zunächst auf die Funktion des Hafentrailers. Damit wird die Nase nach unten gedrückt und sie stand nun auf der vorderen Ecke des Kiels. Kurzentschlossen wird der gesamte Trailer ins Wasser geschoben. Immer noch fehlen ca. 20 cm zwischen Heck und Wasseroberfläche. Der Gurt wird vorsichtig gelöst, der Festmacher am Trailer fixiert. Die Akua senkt sich erneut mit dem Heck. Jetzt aber wie ein Weltmeister kurbeln. Der Hafentrailer ruckelt sich vom eigentlichen Trailer weiter ins Wasser, die Akua bebt. Noch 10cm, noch 5cm... Dann die Erleichterung. Brigitte ruft uns zu, dass sie schwimmt und tatsächlich, Akua ist im Wasser und verlässt den Hafentrailer. Mit einem mal fällt meine Anspannung. Ich schaue meinem Boot zu, wie es zur Pier geführt und festgemacht wird. Dein Boot, Tina, höre ich die Freunde sagen, jetzt kann ich drauf gehen, das erste mal, dass ich Akua auf dem Wasser betrete. Nach Monaten auf dem Trailer an Land nun an der Pier auf dem Wasser, hier in Ueckermünde in der Lagunenstadt!



Mittlerweile ist es schon nach sechs. Viel Zeit für Sentimentalitäten habe ich nicht. Ich muss sie für später aufheben. Wir müssen nach Eggesin das Auto mit dem Trailer zurückbringen, erneut zur Lagungenstadt, den Transporter abholen und zum Yachtclub, mein Auto abstellen, damit wir nicht zurück laufen müssen. Das alles kostet Zeit.


Es dämmert bereits. Mein Seemann startet den alten Johnson. Er braucht nicht lange dafür. Dann lösen wir die Leinen und legen ab. Mein Herz überschlägt sich fast. Es ist nicht weit bis zum Yachtclub. Ich bekomme die Pinne überreicht und genieße jede einzelne Minute der Fahrt zum Liegeplatz. Viele Worte finde ich nicht. Die letzten Tage waren voller Anspannung und nun fällt sie allmählich von mir ab.

entlang der Uecker zum Yachtclub

kurzer Blick Achtern zum Ueckerkopf

Vor uns liegt noch das Anlegemanöver. Wir sind eine der ersten im Yachtclub und der Liegeplatz vom Wasser schwer auszumachen, da die Beschilderung noch fehlt. Nach dem zweiten Anlauf finden wir die beiden Dalben, an denen wir festmachen können. Eigentlich hätte ich an der Pinne sein müssen, doch ich muss mir eingestehen, dass ich noch nicht so weit bin. Mein Seemann hatte ordentlich zu tun, Pinne, Motor und die Festmacher unter Kontrolle zu behalten, während ich nur vom Bug aus an Land brauchte, um Akua in seine Position zu bringen.
Eines Tages werde ich sie allein auf meinen Liegeplatz manövrieren können...
Akua bliebt in der Dunkelheit zurück. Die erste Nacht auf dem Wasser liegt noch vor ihr. Wird die Bilge trocken bleiben? Ich erinnere mich an den Tag, als ich das erste mal auf ihr war. Sie war randvoll mit Wasser, das noch Tagelang nachlief. Woher all das Wasser kam, war unklar und auch die Vorbesitzer wussten keine Erklärung dafür. Was wir konnten, haben wir abgedichtet: Bug- und Heckkorb, Reelingstützen, Seitenfenster und Vorderluke... Nun wird sich zeigen, ob wir sorgsam waren.


Good night, Akua! Bis morgen...

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