Geburtstagssegeln


Mittlerweile bin ich schon zweimal allein mit der Akua unterwegs gewesen. Erst einmal nur unter Motor und auch nur bis zur Lagunenstadt. Bei der aller ersten Fahrt allein muss ich gestehen, dass ich ganz schön aufgeregt war. Was ist wenn...? Der Motor ausgeht? Ich vor Aufregung nicht aufstoppen kann? Oder nicht Gasgeben kann, mir was entgegen kommt, oder, oder, oder...

Handybeweisfoto - ganz allein mit der Akua unterwegs zur Lagunenstadt

Es lief alles ganz prima. Selbst das Anlegen in der Lagunenstadt, auch wenn mein Seemann noch nicht da war und mir nicht helfen konnte. Bei der zweiten Fahrt fühlte ich mich schon deutlich sicherer. Der Wunsch nun endlich die Segel zu setzten, keimte immer mehr in mir.
Dann war es endlich so weit. Mein Seemann fand Zeit, mich zu begleiten. Eine verkappte Möchtegernseglerin und ein eingefleischter Motorbootfahrer hocken sich in die Akua und steuern auf den Ueckerkopf zu. Keiner von uns beiden hat einen Segelschein. Die Segelerfahrungen über die mein Seemann verfügt, liegen weit zurück. Meine erst über ein Jahr, doch die schienen nicht wirklich sesshaft zu verbleiben. Was uns beiden nicht fehlt, ist der Respekt vor dem ganzen Unterfangen. Wir sind nun auf dem Haff angekommen, lassen backbord die Reusen hinter uns. Wir sind uns einig, jetzt wäre es Zeit für die Genua. Wir stimmen uns noch ein wenig ab, dann ruckelt sie zögerlich vom Vorstag. So einfach... Motor aus, wir lassen ihn lieber abgesenkt, sicher ist sicher... Akua nimmt Fahrt auf. Ein Ziel haben wir nicht. Nur mal einfach so. Bei 3 Windstärken schafft sie ca. 5kn. Gar nicht schlecht. Auf das Groß verzichten wir erst einmal. Wir wollen nicht übermütig werden, legen eine anständige Wende hin und segeln wieder zurück. Etwas schwer tut sich das Vorsegel beim Einholen. Hoffentlich hab ich auch alles richtig angebaut. Mir hat es ja vorher keiner gezeigt.

Nur mit der Genua machen wir bei 3 Windstärken ca. 5 kn

Tja, nun waren wir beide ordentlich angefixt. Das war zwar schon recht vorzeigbar, aber auch irgendwie nur halbes Segeln. Das Groß schwebt noch immer wie ein Damoklesschwert über mir. Auf Grund der fehlenden Dirk, muss ich es wirklich fest nach oben bekommen, sonst knallt der Baum auf die Sprayhood oder schleift sich dort ein. Ob mein eingefädeltes Reff tatsächlich funktioniert, ist mir noch nicht klar. In der Marina klappte es ganz prima. Und dann müssen wir anständig in den Wind fahren, damit die Latten nicht in den Faulenzern hängen bleiben. Ganz schön viel auf einmal, zu zweit sicherlich zu bewältigen, doch mein Anspruch ist ja noch immer, irgendwann die Akua allein zu segeln.

Es gibt kein schöneres Datum, als der 29.4. Am Abend zuvor veranstaltet der Yachtclub den Seglerball zum dazugehörigen Ansegeln und Fahnenmaststellen. Wir sind abends beim Tanz mit dabei und feien in meinen Geburtstag rein, natürlich mit Holger und Brigitte. Mit der Blue Lady schippern wir, nachdem wir eine Tour nach Mönkebude zum Eisessen unternahmen, nach Ueckermünde rein. Von der Stadtpier aus können wir zum Yachtclub und wieder zurück laufen. Ein schöner Abend war es! Punkt zwölf hörte ich meinen Namen durchs Mikrofon und einige Sekunden später sang der Club für mich Happy Birthday. Ich war den Tränen nahe! 

Marina in Mönkebude

Traditionssegler (Zeese) läuft in die Maina ein

Yachtclub Ueckermünde - die Akua zählt dort zu den kleinsten Booten

Und bevor ich in der Koje der Blue Lady liege, überreicht mir mein Seeman einen Karton. Ich erkenne noch das SVB Paketband. Was er nicht wusste, seit langem wünsche ich mir schon eine Umhängetasche aus Segeltuch. Die, die ich bislang fand, gefielen mir nicht wirklich. Sie wirkten so kommerziell. Ja und als ich in mein Geburtstagskarton blicke, liegt da eine Tasche aus original Segeltuch der Greif von Ueckermünde. Und das das Tuch im Gebrauch war, ist noch ganz deutlich zu sehen. Der Verschluss besteht aus einem ebenso ausgedientes Tau. Ich habe vor meinem Seemann noch nie über so eine Tasche gesprochen. Woher wusste er das nur???



Ja und dann sollte ich noch mal richitg in den Karton gucken. Er war ziemlich schwer, als ich ihn versuchte anzuheben. In grauem Papier eingewickelt entdecke ich einen nagelneuen Anker für die Akua und im übertragenen Sinne auch für mich, mit dem Wunsch gepaart, endlich eine Heimat für mich zu definieren, am besten hier am Haff, zusammen mit meinem Seemann, seiner Blue Lady und der Akua. Der Anker wirkt zunächst auf mich ziemlich klein. Ob er halten wird?

Am nächsten Morgen wachen wir bei schönstem Sonnenschein auf der Blue Lady in Ueckermünde auf. Nach dem Geburtstagsfrühstück legen wir ab, es geht zurück zur Lagunenstadt. Die Boote werden getauscht. Akua wartet. Es weht eine anständige Brise. Ich bereite das Groß vor und entferne die Persenning fürs Vorsegel. Mittlerweile habe ich Nachbarn bekommen. Zurück auf meinen Liegeplatz wird es damit leichter gehen. Mittlerweile wirken mein Seemann und ich schon recht eingespielt. Ich finde das richtig schön, dass wir beide gemeinsam das Boot kennen lernen und nicht einer den anderen dominiert. Mich erinnert das an zwei Kinder, die etwas ganz geheimnisvolles geschenkt bekamen und nun herausfinden wollen, was man damit so alles anstellen kann.
Ich hab es geahnt, das Groß will nicht bis ganz nach oben und hängt faltig und schlaff auf dem Baum. Es fehlen noch ca. 20 cm. Nun probiert es mein Seemann. Ich bekomme zwar die Akua in den Wind und er das Groß ganz nach oben, aber schon will Akua nicht mehr zurück. Also drehen wir eine Ehrenrunde, der Horror für mich, denn ich verliere ganz schnell die Orientierung bei sowas. Blick auf den Verklickerer und ein weiterer Blick auf den Kompass - 330 Grad – wir sind wieder auf Kurs, die Genua wieder auf der Steuerbordseite und das Groß steht stattlich im Wind. Wir können den Baum vom Achterstag lösen und segeln nun unter Vollzeug in den blauen Himmel hinein.
Ich habe mich oft gefragt, ob mein Seemann nur mir zu liebe mit Segeln kommt, oder ob auch er Freude daran entwickeln wird. Ich hab ihn nicht gefragt, nur in sein Gesicht geschaut, als Akua die Insel Usedom ansteuert. Kurz vom Ufer wenden wir. Wie war nochmal der Kurs 180 Grad von den 330? Mein Seemann rechnet, während ich feststelle, dass mein Kompass so gebaut ist, dass die gegenüberliegende Gradzahl erfasst werden kann. Wow, und wieder kommen wir dem Geheimnis der Überraschungskiste ein Stückchen näher.



Akua schiebt ordentlich Lage. Wind und Welle haben zugenommen. Mittlerweile gehen die Wantenspanner mit dem Haff auf Tuchfühlung. In der Kajüte klirrt und poltert es. Und mein Seemann grinst. Das wird die Antwort auf meine Frage sein. Und dann spricht er es aus. Das macht schon richtig Spaß! Na bitte! Doch kein verwöhnter Dickschiffmotorbootfahrer mit Dieselheizung und Innenfahrerstand. Es hätte mich auch gewundert. So fährt er ja auch nicht permanent die Insignia Vollausstattung, sondern nach Motoröl schnuppernde Abschlepper, Laster, Kleintransporter, den Rasenmähertrecker nicht zu vergessen...



Wir entscheiden uns gegen die Schräglage und holen das Groß ein. Und wieder drehen wir eine Ehrenrunde. Dann steht die Genua perfekt. Aus 5kn werden 4kn. Wir erinnern uns ans Schwert und senken auch das ab. Ja, das kann man so machen. Irgendwann stellen wir uns die Frage, was passiert, wenn wir das Groß im ersten Reff fahren. Also Groß wieder aufholen und die Reffleinen festmachen. Meine Konstruktion funktioniert super. Akua schiebt wieder Lage, übertrifft sogar ab und an die 5kn. Mein Seemann strahlt über beide Ohren. Ich auch!
Als wir die Akua wieder auf ihrem Liegeplatz fest vertäuen, sind wir uns einig, dass war ein super schöner Geburtstagstörn! Wir haben beide Sonnenrote Köppe und merken jeden Muskel. Ganz schön anstrengend so ein Segeltag! Wir haben zwar nicht den Atlantik gequert, dafür aber das Haff!

Video zum Geburtstagssegeltörn


Kommentare

  1. Hallo Tina,

    hier schreibt Dir Kiki (ex SY Hühner-Express - Göta Kanal 2013). Vor einigen Wochen habe ich mal nach der 2nd Try Pirate gefahndet und bin dabei auf Deinen Blog gestoßen, den ich seitdem regelmäßig verfolge.

    Ich finde es toll, dass Du das machst. Congratulations! Ich freue mich ebenfalls riesig, dass Du mit Deinem Seeman offensichtlich sehr glücklich bist. Manchmal muss man(n) eben Glück haben.

    Ich selbst bin seit ein paar Monaten Privatier und kann jetzt auch endlich mehr segeln. In diesem Sommer steht ein dreimonatiger Ostsee Rund Törn (Hindeloopen - Haparanda - Stockholm - Göteborg (wieder durch den "Scheidungsgraben") - Skagen - Helgoland - Hindeloopen an. Wenn Du magst, schau mal unter www.sychristina.de.

    Liebe Grüße


    Kiki

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    1. Moin Kiki,

      danke für deine Nachricht! Ja, die Pirate gibt es seit März 2015 nicht mehr. Bis Brasilien war sie uns eine gute Begleiterin. Wir übernahmen im Juli dann eine 45 Jeanneau in Kroatien. 2016 im Dezember verließ ich dann das Schiff auf den Kanaren. Es war wirklich eine spannende Zeit, doch ich vermisste die Ostsee, die Jahreszeiten und wollte endlich richtig segeln lernen.

      Dein Schiff sieht toll aus! Ich hab mir deine Webseite angeschaut und wünsche dir eine schöne Reise! Den Göta-Kanal würde ich gern noch einmal durchfahren. Die Akua ist zwar klein, aber ich kann mir ganz viel mit ihr vorstellen. Aber vielleicht kann ich ja auch meinen Seemann dafür begeistern.

      Ich gratuliere dir übrigens zum Privatier! Willkommen in der Freiheit!

      Liebe Grüße,
      Tina

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  2. Moin Tina,

    ganz lieben Dank für das Update. Vielleicht treffen wir uns ja irgendwann im Göta-Kanal oder an anderer Stelle auf der Ostsee. Das Boot ist selten zu klein oder zu schwach für einen großen Törn, meist ist die Mannschaft der limitierende Faktor.

    Mit der Freiheit hast Du absolut Recht, das ist toll. Aber es fällt manchmal noch ein wenig schwer sich daran zu gewöhnen. Aber vielleicht hilft mir der Törn dabei. Aktuell stehen noch ein paar Dinge an, die bis dahin erledigt werden müssen:

    Wechsel Propeller
    Der vorhandene hat zu wenig Steigung und deshalb dreht das Rütteleisen bei Marschfahrt viel zu hoch. Statt des vorhandenen 17 x 9,5" kommt jetzt ein 17 x 12" Drehflügelpropeller drauf, bei dem ich die Steigung selbst einstellen kann. Ich hoffe, der kommt bis zum Törnbeginn.

    Anschaffung AIS-MOB's
    Für den Fall, dass uns mal einer über Bord geht, möhte ich den- oder diejenige auch wiederfinden. Deshalb habe ich gerade noch vier Seenotfunksender bestellt, die über DSC und AIS Alarm schlagen und die Suche erheblich erleichtern müssten. Die Viecher kommen an die Rettungswesten

    Strecktaue montieren
    Sind schon da, habe ich aber wegen des NRW-Cups am vergangenen Wochenende noch nicht montiert. Wir haben übrigens in Doublehanded (15 teilnehmende Boote in unserer Gruppe) ziemlich überzeugend gewonnen.

    Reparatur Hydraulikzylinder Achterstagspanner
    Ist uns beim NRW-Cup bei sechs Windstärken auf der Kreuz um die Ohren geflogen, gab eine herrliche Sauerei im Cockpit.... Zylinder ist schon ausgebaut und bei einer Spezialfirma für Industriehydraulik zur Reparatur.

    Verproviantierung
    Zumindest für die erste Woche....


    Am 08. Juni geht es los....

    Herzliche Grüße


    Kiki

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