Einmal quer rüber - Teil 2
Das erste Mal, dass ich mit meiner AKUA
übernachte, ohne auf einen Stromanschluss zurückgreifen zu können. In
welchem Zustand sich die Versorgerbatterie befindet, werde ich damit nun testen
können. Am Netzt hängen die Kompressorkühlbox, die Dieselheizung,
Licht und Handyschnellladung sowie auch die Wasserpumpe. Klar kann
ich zur Not den Motor anwerfen, das wäre dann meine Sicherheit. Die
Heizung schaltete ich aus, sobald ich in der Koje liege. Mitten in der
Nacht erklärte sich mir auch, warum früher die Menschen während
das Schlafens eine Mütze trugen. Mir ist irre kalt um meinen
Schädel. Hinzu kommt die hohe Luftfeuchtigkeit in meiner Kabine. Das
bin ich gar nicht mehr gewohnt. Damals, als ich noch ein Kind war,
schliefen wir so kalt, dass im Winter die Decke dort gefror, wo der
Atem sich niederlegte. Nun, ganz so schlimm war es in meinem
Boot nicht, dennoch verzeichne ich am Morgen 11 Grad unter Deck. Die
Heizung benötigte schon eine Weile, um eine zufriedenstellende
Temperatur zu erreichen. Überhaupt brauche ich ziemlich lange, um
bereit für die Querung das Haffs zu sein. Ich erinnere mich an meine
Reise im Frühjahr auf meiner Varinata65. Es dauerte fast drei Tage,
bis ich einen Rhythmus fand und routinierter Starten und auch drauf leben konnte. Ich
vertraute nun darauf, dass es diesmal nicht anders sein würde, nur
dass ich nicht ganz so viel Zeit zur Verfügung habe.
Dennoch pünktlich motore
ich kurz nach 9 bei blauem Himmel, einer erfrischenden Morgenkälte
und 3 bft bis kurz hinter Altwarp und setze nach den Reusen die volle
Besegelung, um fast auf Kurs 90 Grad bis zur Betonnung der schmalen
Fahrrinne nach Wollin gegenan zu segeln. Nur einmal musste ich
kreuzen. Dort kam mir ein größeres Reusenfeld in die Quere, durch
welches ich fast mit 5knt gekachelt wäre. Durch die Selbstwendefock
ist ein schnelles Reagieren hervorragend möglich. Der Wind pfiff mir
gehörig um die Nase. Mütze, Brille und aufgestellter Kragen sorgten
für einen gewissen Schutz. In der Mündung nach Wolin nimmt der Wind
immer mehr ab und die Sonne schafft es auf spätsommerliche
Temperaturen, so dass ich mich aus meiner Segelkleidung nach und nach
schälen konnte. Was für ein herrlicher Tag! Mit steigenden Graden
verlässt mich der Wind nun gänzlich. Es nützt nichts, ich muss das letzte Stück bis Wolin motoren. Dafür werde ich mit einer herrlichen
herbstlichen Landschaft belohnt. Mein Herz hüpft fast von Bord, hin
zu den Fischreihern und Kormoranen, dem bald gelben Schilf und den
bunten Laubbäumen und sammelte dabei unzählige kleine schwarze Fliegen
ein, die hässliche dunkelblaue Flecken am Boot und an der Kleidung
hinterließen, sobald ich sie berührte.
Endlich sehe ich die Stadt Wolin vor
mir und sogleich auch die Marina und ebenso die Brücke, die mir ganz
klar signalisierte, bis hier und nicht weiter. Zwar könnte ich
noch durch diese gemäß den Öffnungszeiten hindurch, doch dahinter befindet sich eine weitere
Brücke mit einer Durchfahrtshöhe von 12m. Da passe ich mit meinen 13,50m nicht hindurch, sonst
wäre ich bis an die Ostsee gelangt. Tatsächlich ist noch
ausreichend Platz für mich an der Kaimauer. An die Moorings traue
ich mich nicht. Aber wozu auch.
Erstaunt war ich über die Hafengebühr.
Schlappe 14 Zloty für den Platz und 7 für unbegrenzt Strom werden mir
abgenommen. Das sind umgerechnet ca. 5 Euro zusammen. Wenn das so
weiter geht, komme ich mit mehr Geld nach Hause, als ich losgesegelt
bin. Besonders stolz zeigt mir die Angestellte der Marina die neuen
Waschräume. Hierfür möchte sie noch einmal 7 Zloty, inklusive
Fön und Endlosduchen. Paradiesische Zustände bei dieser Jahreszeit. So einfach kann ich beglückt werden...
Erst zurück auf dem Boot bemerke ich,
dass mein Kopf schmerzt und ich glühe. Sollte das die Reaktion auf
meine abfallende Anspannung sein? Nein, dass fühlt sich anders an.
Ich wage nicht dran zu denken. Für Wolin hatte ich ohnehin einen
weiteren Tag geplant. Gegenüber von der Marina auf der anderen Seite
des Haffausläufers lockt das bekannte und nachgebaute Wickingerdorf.
Mit ausreichend Wasser verfrachte ich mich jedoch in meine Koje und
schlafe sofort ein.
Auch am nächsten Tag geht es mir nicht wirklich besser. Zudem legte sich eine fette Nebeldecke über die Stadt. Mit dröhnendem Kopf schleppte ich mich zu einer der vier Apotheken. Ich dachte ja an vieles auf meinem Boot. Auch Verbandszeug habe ich dabei. Jedoch vergaß ich schlicht weg mir eine Bordapotheke zusammenzustellen. Merkwürdig. Eigentlich müsste ich doch nun leicht panisch werden. Wenn es mich jetzt richtig dolle erwischen sollte, dann hänge ich hier erst einmal fest, keiner da, der sich um mich sorgt, mir einen Tee kocht oder die Wärmflasche bringt. Bei heißem Ingwertee und dem Zehnteiler Rätsel der Sandbank auf DVD verkrümel ich mich bis auf weiteres in meine Koje. Ich habe keine Panik.
Am nächsten Morgen sieht die Welt
wieder aus, als sei nichts gewesen. Selbst der Nebel ist
verschwunden. Sicherlich, es regnet. Aber für Herbst kann ich darin
nichts Ungewöhnliches feststellen. Ich lasse mir hinreichend Zeit
und lege mit dem letzten Regentropfen Richtung Wapnica ab. Meine
angehende Erkältung hat wohl der Nebel verschluckt...
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