Einen Kopf größer und mit erhobenen
Hauptes steure ich die Akua übers Haff. Hinter mir liegen fast 250
km im Kielwasser, 10 Tage auf der kleinen Varianta 65. Wann ich all
meine Bedenken und Ängste verloren habe, kann ich nicht mehr sagen.
Ich fühle mich sicher, kenne mein Boot und auch dem fleißigen
Johnson gebührt meine Hochachtung. Dieser 6 PS Zweitakter arbeitete
unermüdlich manchmal über 5 Stunden am Tag das Boot in die Marinas,
ohne nur ein einziges Mal erschöpft zu wirken...
|
Johnson bei der Arbeit |
Ab Loitz befahre ich gänzlich
unbekanntes Gewässer und werde mit einer wunderschönen
Flusslandschaft belohnt. Hier wird die Peene etwas schmaler, die Ufer
wirken natürlich bewachsen und je nach Wetterlage und Tageszeit
erlebe ich unberührte Natur, Pflanzen- und Tierwelt in ihrer ganzen
Vielfalt.
In Demmin wartet bereits mein Seemann
mit vollgetankten Kanistern Benzingemisch auf mich und weist mich in
den kleinen Hafen, der bereits jetzt schon überfüllt scheint, ein.
Ich zähle allein acht Hausboote, die dort ihren festen Liegeplatz
haben. Eine schöne moderne Marina, die erst kürzlich ausgebaut
wurde, doch jetzt schon zu klein wirkt. Die Stadt und damit
Restaurants und Einkaufsmöglichkeiten sind fußläufig erreichbar.
Wir genießen den Abend beim Griechen, dann verlässt mich mein
Seemann. Von hier geht es nun ganz alleine weiter. Am Morgen lege ich
früh ab. Bis nach Malchin möchte ich kommen. Endstation. Auf halben
Wege erreiche ich den Kummerower See bei Sonne und besten Wetter.
Mein Herz hüpft höher, denn die Tage davor waren eher von Kälte
und Regen geprägt. Kurze Hosen hab ich nicht dabei und auch an ein
Basecap dachte ich nicht. Nun macht mir die Sonne zu schaffen und
lässt meine Haut brennen. Überhitzt und glücklich passiere ich
Malchin und finde sogleich einen netten Platz am Kanal direkt in
Malchin. Ich vertäue Akua und stelle gerührt fest, dass vor mir
eine Dehler 28 liegt. Das erste Mal, dass ich einen direkten
Vergleich beider Boote bekomme und kann mich kaum an ihnen satt
sehen.
|
Brücke von Demmin - ich passe gut hindurch |
|
immer noch in Demmin |
|
die Peene wird nach Demmin immer schmaler |
|
abgestorbene Bäume gehören genauso zum Ufer dazu, wie das Schilf |
|
Seeadler begegnen mir an der Peene oft |
|
das erste und einzige Mal, dass ich überholt werde, mir begegnen nur selten Boote - Ausflugsschiff von Demmin nach Malchin |
|
eines der vielen Hausboote auf der Peene |
|
immer wieder schön für mich anzuschauen: Uferlandschaft der Peene |
|
Wiesenlandschaft |
|
letzter Anleger vor dem Kummerower See |
|
Kummerower See |
|
Vom Kummerower See zurück in die Peene Richtung Malchin |
|
Malchin voraus |
|
meine Varianta 65 im Vergleich zu einer Dehler 28 |
Erstaunliche 4 Euro Liegegebühren
werden mir nur berechnet, 50 Cent für 1 KW Strom. Bei dem Wetter
werde ich die nie verbrauchen. Das Personal ist freundlich und
aufgeschlossen, die Toiletten sauber. Alles da, was ich brauche. Die
Stadt wartet auf eine Erkundungstour. Eine schöne Stadt!
|
Altstadt Malchin |
|
eindrucksvolle Kirche |
|
hinter den Altstadthäusern kleine Allee |
|
eine der vielen Gassen |
|
Parkanlage mit Eselgehege |
|
Liegeplatz |
|
Endstation - hinter dieser Brücke kommen nur noch kleine Boote mit wenig Tiefgang weiter |
|
Abendstimmung über dem Industriegebiet von Malchin |
Am nächsten Morgen trete ich im Nebel
die Heimreise an. Auf dem Kummerower See habe ich das Gefühl von
Weite. Der Nebel verschleiert die Sicht auf die Ufer und lässt mich
an mein Heimatrevier das Haff erinnern. Ich habe zwar kaum Sicht, aber
die Navigation mit der heutigen Technik ist kinderleicht. Das Tablet
brauche ich nicht dafür. Mir genügt mein Handy, auf dem ich die
Karten der Kartenwerft installiert habe und hin und wieder drauf
schaue. Ansonsten halte ich Kurs über meinen Kompass.
|
Heimreise - noch einmal liegen 123 km vor mir |
|
Kilometermarkierung - Malchin beginnt mit 0 |
|
Kummerower See im Nebel |
Ich denke mittlerweile fast nur noch an
meine neue Dehler, die in Esens auf mich wartet und in ein paar Tagen
abgeholt werden möchte. Wie werde ich mit diesem Boot klarkommen?
Eins steht jetzt schon fest. Ich zweifle nicht mehr und all meine
Bedenken sind vollständig verflogen, Bedenken, die nur eins
vorhatten, mich zu verunsichern. Das An- und Ablegen ist kein Thema
mehr.
Eigentlich wollte ich erneut in Demmin
einlaufen, doch unterwegs sehe ich einen einfachen
Wasserwanderrastplatz, der so idyllisch liegt, dass ich dort die
Nacht verbringen möchte. An irgend einem wackeligen Steg mache ich
Akua fest und begebe mich auf Wanderschaft. Der Ort Trittelwitz ist
so klein, dass ich kaum glauben kann, dass ich ihn in wenigen Minuten
durchlaufen habe. Gefühlt mitten im Wald finde ich ein großes
wunderschön angelegtes Grundstück. Mit dem Besitzer komme ich ins
Gespräch. Über hundert verschiedene Bäume habe er bereits
gepflanzt, sogar welche aus Japan. Er liebt Bäume.
|
idyllischer Liegeplatz im Altarm der Peene |
|
kleiner Strand vom Wasserwanderrastplatz Trittelwitz |
|
Begegnung in Trittelwitz |
|
Gewächshaus im Garten der 100 Bäume |
Im Landhof Trittelwitz kehre ich ein. Mit Sanddorneis und Milchkaffee bei Regen unterm Terrassendach des
Biergartens werde ich belohnt und bekomme zugleich eine kleine
Führung des Hauses, denn hier gibt es auch schöne Ferienwohnungen
und das in einem Ort, der nur 16 Häuser zählt, sagt der Gastwirt.
Am nächsten Tag mache ich erneut in
Loitz fest. Mittlerweile kennt man mich und freut sich, dass ich
wieder vorbeischaue. Noch ist das Wetter schön und ich räume mein
Boot auf, bekomme sogar Nachbarn. Ein größeres gechartertes
Motorboot legt an. Es wirkt riesig neben der Akua. Meine frischen
Vorräte sind aufgebraucht. Obst und Gemüse hole ich im
nahe gelegenen Supermarkt. Am nächsten Morgen recht früh begebe ich
mich auch schon auf den Weg nach Anklam. Mich begleiten erneut Kälte
und Wolken am Himmel. 47 km liegen vor mir und die Tatsache, dass ich
nur noch zwei Tage unterwegs sein werde. Ein bisschen Wehmut schwingt
mit, doch die Freude auf die neue Akua überwiegt. Der Tank ist voll.
Johnson tuckert seine viereinhalb Knoten. Ich werde bestimmt mit
einer Tankfüllung die gesamte Strecke schaffen, bin ich mir sicher.
Ich mache ewig viele Fotos vom Ufer der Peene, ich kann mich kaum
satt sehen daran. Steuerbord lasse ich Jarmen liegen und zähle die
Kilometermarken, denn mir ist irre kalt an der Pinne. Ich denke an
meine Wärmflasche in der Koje, die ich mir schon Morgens fertig
mache und in den Schlafsack lege. Unterwegs mache ich mir Kaffee,
auch das Heißwasser in der Thermoskanne habe ich vorbereitet.
Während ich auf der Hinfahrt noch die Motordrehzahl drosselte,
wenn ich unter Deck gehe, so ist dies nun nicht mehr nötig. Ich
kann mittlerweile einschätzen, wie lange Akua ihren Kurs ohne mich
an der Pinne mit der Arretierung hält. Überhaupt erlebe ich mich
routinierter als die Tage davor. In Anklam lege ich an meinem
Stammplatz an. Gerade in der Box angekommen, geht Johnson das erste
mal von alleine aus. Leicht irritiert gehe ich der Sache auf den
Grund und lach mich halbtot. Der Tank ist absolut leer. Geradeso hab
ich es an den Steg geschafft. Der Hafenmeister wundert sich, er habe
mich gar nicht kommen hören und freut sich, dass ich wieder da bin.
Weltumseglerin hat er mich getauft. Weltumseglerin ohne Mast auf der Peene denke
ich mir.
|
Kormoran |
|
Hanseviertel Demmin e.V. |
|
Brücke von Loitz, vorsichtshalber klappe ich meinen Lichtmast |
|
Loitz diesmal backbord |
|
Jarmen |
|
Ein besonders mutiges Exemplar. Er bleibt auf seinem Ast hocken und fliegt nicht weg, wenn ich vorbei schippere... |
|
Liegeplatz in Anklam |
|
Wasserwanderrastplatz Anklam |
Ja, 10 Tage genügten, um die vier Jahre
auf See zu übermalen. Je länger ich damals mit meinem Skipper
unterwegs war, desto mehr verlor ich das Interesse am Segeln und
Unterwegssein. Mein Selbstbewusstsein sackte mit jedem Tag mehr an
Bord immer weiter in den Keller. Ich bin es gewohnt mich mit den
Dingen um mich herum auseinander zu setzten, oft allein, damit ich
sie verstehe. Allein darum, damit mir nicht der Nacken vollgequatscht
wird und mich ewige Belehrungen nur noch mehr verstören. Ich lerne
am besten übers Tun und Machen, selber Erfahrungen sammeln.
Schulbänke hasse ich wie die Pest. Die Tage mit meiner Akua allein
unterwegs haben mich für dieses Boot sensibler gemacht. Lieber höre
ich dem Boot zu, dem Wind und dem Wasser. Sie sagen mir das, was ich
wissen muss. Und je länger ich zuhöre desto mehr begreife ich. Das
kann mir kein anderer lehren...
Mit achterlichen Wind schaukeln Akua
und ich übers Haff. Wir sind fast allein unterwegs. Gegen Mittag
werden wir in der Lagunenstadt sein. Ach, wäre das jetzt schön,
wenn ich mein Rigg hätte, die Tücher mit Wind gefüllt und Johnson
mal Pause machen könnte. Wenn ich nach Hause komme, möchte ich
endlich den Mast stellen. Akua ist und bleibt ein Segelboot!
|
Kaniner Brücke |
|
Zurück auf dem Haff |
|
schon so oft fotografiert: der Leuchtturm von Ueckermünde |
|
vertrauter Zeitgenosse - der Fischreiher |
|
Heimathafen Lagunenstadt |
In der Lagunenstadt sind bald alle
Stege belegt. Vor meiner Abreise wirkte die Marina noch etwas leer.
Der Hafenmeister grüßt mich von weiten und fragt nach meinem Mast.
Er wird nicht der einzige bleiben. Das erste Mal, dass ich Johnson
streichle und ihm sogar einen Kuss auf die Haube verpasse, Akua den
Rumpf klopfe, dann verlasse ich den Steg. Ich fühle mich ganz
sonderbar, einerseits in Frieden und dennoch in Aufruhr... Ein
Stück größer auf jeden Fall...
|
Akua wieder aufgeriggt - die Segelsaison kann beginnen |
Fakten:
- 250 km gesamt
- 10 Tage
- ca. 65l Benzingesmisch
- 7 Stopps
- 70 Euro Liegegebühren
- 7 Euro Duschgeld
- 10,50 Euro Stromgebühren
- unzählige Seeadler, Kormorane, Schwäne, Fischreiher und freundliche Leute
Kommentare
Kommentar veröffentlichen