Das Wunder meines letzten Sommers...
...mit meiner kleinen Varianta 65!
Akua liegt bereits seit dem 31. März
im Wasser. Nur der Mast ist noch nicht gestellt. Er ruht bei der
Lackierung im Opelhaus in Eggesin auf zwei Lagerböcken. Dort haben wir ihn überholt,
einen Block für die Dirk gesetzt, ein neues Fall dafür besorgt und
neue Lazy Jacks angebracht. Auch kann ich jetzt endlich eine
Gastlandflagge hissen. Eigentlich ist alles bereit, um den Mast zu
stellen.
Überarbeitung des Mastes |
neuer Block für die Dirk |
Doch Akua bekam zunächst einen Motorbootlichtmast mit der selbst genähten Akuaflagge. In der Backskiste wie auch im Stauraum Achtern sind zusätzlich 20 Liter Benzingemisch untergebracht. Es schwebt eine seltsame Stimmung in der Luft. Das Heck der Akua liegt tiefer im Wasser als sonst. Ich hoffe, dass meine Wasservorräte, die ich im Bug verstauen möchte, etwas Gegengewicht bringen. Unmissverständlich erklärt mir meine kleine Varianta, dass sie Grenzen hat. Sie sei keine Stopfgans, die fürs Weihnnachtsfest vorbereitet wird. Ich könne nun mal aus ihr nichts anderes machen, als ihre Bestimmung ist. Sie sei ein wunderbarer Daysailer, auch mal für einen Urlaub zu überreden, doch langfristig mit ihr um die Ufer zu ziehen? Schon längst habe sie bemerkt, dass meine Blicke einem anderen Boot galten. Und sie hatte recht, ich hatte mich tatsächlich verguckt.
Kann man zwei Boote gleichzeitig
lieben?
In der Nähe von Aurich steht die Neue.
Ungeschminkt, leicht vernachlässigt aber geduldig, mit einer top
Ausstattung: neuwertige Besegelung, Selbstwendefock, Volvo Penta
Innenborder von 2006 mit dreiflüglichen Faltpropeller, Webasto
Dieselheizung (für mich nicht mehr wegzudenken, nach diesem extrem
kalten Frühjahr), Kiel mit Schwert (daran habe ich mich ja nun schon
so gewöhnt), Stehhöhe!!!, eine separate Achterkabine, einen
traumhaften Kartentisch und eine Nasszelle, Windmesser, Autopilot und
Heckdusche – absoluter Luxus für mich und kein Vergleich zur Varianta,
die schlicht und pur daher kommt. Mit ihr bist du ganz nah am Wasser.
Segeln fast wie auf einer Jolle – wird gesagt. Ich selbst bin noch
nie eine Jolle gesegelt. Böen ausreiten, sich flach aufs Wasser
legen, bei starker Welle röhrt der alte Johnson, wenn es ihn aus dem
Wasser hebt. Sie hat einen Kompass, eine mechanische Logge und einen
neuen oldstile Tiefenmesser, ein Radio ist auch noch an Bord. That's it.
Es war gerade die Einfachheit, die ich
an meiner Varianta so mochte. Slippen und Trailern kein Problem.
Selbst an Land vermittelt sie Freiheit.
Die Neue steht auch auf einem Trailer.
Doch mit ca. 3,5 Tonnen zuzüglich Trailer scheitert es für lange
Strecke schlicht am Zugfahrzeug. Auch der Trailer selbst ist nur für
3t zugelassen. Er dient also lediglich als Hafentrailer. Wie soll ich
sie vom westlichen Norden in den tiefsten östlichen bringen?
Schnell spüre ich, wie anders es mit
einem solchen Boot doch ist. 28 Fuß und fast 3m Breite lassen sich
nicht mehr so leicht händeln, wie ich es von der wendigen kleinen
Varianta gewohnt bin. Warum also tue ich mir das an?
Die vier Jahre auf See prägten mich.
Ich habe irre gern auf dem Wasser gelebt. Morgens aufstehen und
gleich eine Runde schwimmen gehen, kein unnötiger Kram an Bord,
vieles war Handarbeit – Wäsche waschen, Geschirrspülen, sauber
machen, reparieren, immer wieder reparieren. Und obwohl wir stets an verschiedenen Orten aufwachten, so krochen wir doch aus ein
und derselben Koje heraus.
Ich möchte wieder so viel Zeit wie nur
möglich auf meinem Boot verbringen, auch wenn es regnet und das
nicht nur im Liegen. Möchte erneut meiner kreativen Tätigkeit
nachgehen: Schreiben, Zeichnen, Aquarellieren und Klarinette spielen.
Vor Anker liegen, ohne dass ich immer wieder an meine Stromversorgung
denken muss und damit an den nächsten Liegeplatz, denn mit meiner
Varianta kann ich derzeit nur über den Landanschluss meine
Batterie laden. Ist es draußen kalt, so auch in der Varianta... Die
Saison so lange wie möglich ausschöpfen, denn eins möchte ich
derzeit nicht mehr - den Norden und die Ostsee verlassen. Dafür liebe
ich die Jahreszeiten viel zu sehr und musste für mich erkennen, dass
das Reisen bis über den Atlantik in den vier Jahren zwar sehr
aufregend war, dennoch eine Lücke hinterließ: Heimatlosigkeit.
Diese Lücke gibt es nicht mehr. Mein Zuhause ist das Haff geworden,
vor allem aber mein Seemann. Beides scheint untrennbar.
Leuchtturm von Ueckermünde - Heimatgefühle |
Und so heißt es erneut Abschied
nehmen. Nicht vom Land, sondern von meiner Varianta. Ja, ich kann zwei Boote gleichzeitig lieben, auf unterschiedliche Art, so unterschiedlich wie sie nun mal sind. Aber ich kann nur für eins wirklich da sein. Meine Varianta soll nicht auf Halde stehen bleiben. Ich habe auch diesen Winter viel an ihr gearbeitet, ohne je daran zu denken, dass wir vielleicht nur noch einen Sommer haben. Sie ist für viele Sommer und ausgiebige Törns gerüstet.
Noch eine Tour allein mit Akua ist geplant. Ich möchte die
Peene bis Malchin entlang fahren und den Amazonas des Nordens in
seiner Schönheit und ganzen Natur erleben. Das ist mein
Abschiedsgeschenk an meine Varianta, die höchstwahrscheinlich noch
nie ohne Mast und nur unter Motor eine solche Strecke zurücklegte. Kehren wir wieder
nach Hause, werde ich sie aufriggen und in den Sommer segeln, bis die
neue Akua seetüchtig in die Uecker gekrant wird.
Auf zur Peene! |
Mein Seemann und ich sitzen an Bord
einer Arion 29, die Nachfolgerin der Pura Vida, jene Pura Vida, die wiederum die Nachfolgerin meiner Varianta werden soll. Es gleicht einer
Nahrungskette, nur das nix aufgefressen wird, sondern weiter gegeben.
Vor uns liegt der Kaufvertrag und zurückblickend ein oder einige kleine Wunder...
Über einen Monat schaute ich mir immer
wieder die Verkaufsannonce der Pura Vida an. Sie kommt zu früh für mich! Weder kann ich mir dieses Boot leisten, noch traue ich es mir zu. Ich
hatte ewig viele Ausreden, warum ich dieses Boot nicht besichtigen sollte.
Anrufen könnte ich ja mal. Es zogen Tage ins Land, die zu Wochen
wurden und eine Bootsbesichtigung einer alten Optima 830. Dann hatte ich die Nase voll von Booten, die Mogelpackungen waren oder einen
schlechten Kompromiss bedeuteten. Wenn ich mir ein neues Boot
anschaffen möchte, das meine Varianta ersetzten möge, dann soll es
mein Traumboot werden, mit dem ich viele Jahre glücklich segeln, vor allem allein segeln kann. Ein schönes Boot, ohne Wenn und
Aber. Ich greife zum Hörer...
Ja, sie sei noch da, erklärte mir der
Eigner, aber sie selbst seien bereits auf dem Weg zur Ostsee, um ihre
langersehnte Sabbatzeit anzutreten. Doch ich könne sie mir
anschauen, in Esens stünde sie. Gesagt getan. Eine Woche später und
knapp 600 km entfernt stapfe ich misstrauisch um die Neue, auf der
Suche nach Argumenten gegen das Boot. Das Deck wurde mal lackiert.
Ziemlich gut sogar, denn ich konnte es zunächst nicht glauben.
Lackierte Boote mag ich nicht, auch wenn es nur das Deck ist. Der
rutschfeste Belag löst sich bereits und wirkt wie ein aufgeplatztes
Sofakissen. Von dem Chemieklo mal ganz abgesehen. Dann kann ich ja
gleich die Sache mit der Pütz beibehalten! Oh man und das
Unterwasserschiff ruft nach einer Überarbeitung. Hab ich nicht
gerade das Unterwasserschiff meiner Akua auf Vordermann gebracht? Na
zumindest weiß ich jetzt wie es geht. Ein Schlagabtausch der
Argumente für und gegen die Pura Vida ballerten mir um die Ohren.
Aha, ein Riss im Ruderblatt! Die Welle in der Buchse sitzt auch nicht mehr so
stramm. Kommt alles auf die Minusliste! Ich bin geneigt zu sagen,
dass ich wirklich mein Bestmöglichstes gab, um um dieses Boot drum
herum zu kommen. Mal wieder. Und während sich Plus und Minus um die
Wette argumentierten, waren wir bereits auf dem Weg nach Kühlungsborn,
denn dort lief gerade die Arion 29 in die Marina ein. Die
Telefonstimme des Eigners verwandelte sich in Blickkontakte und in ein
durchaus sympathisches Gespräch von Angesicht zu Angesicht. Und
welch ein Wunder, tatsächlich konkretisierten sich meine
Kaufabsichten. Fehlen nur noch eine Finanzierung und die Lösung für
eine Überführung.
Mein Albtraum: ein Chemieklo |
Abgenutzte Antirutschbeschichtung und blätternder Klarlack |
Riss im Ruderblatt |
Kraterlandschaft und schlecht gereinigtes Unterwasserschiff |
Es war meiner Mutter zu verdanken, die
mir erklärte, ich solle den Blödsinn mit der Finanzierung lassen, sie wird mir dabei schon unter die Arme greifen. Darauf sei Verlass! Zwei Minuten später und ohne es glauben zu können, war ich plötzlich
reich! Und vor allem unabhängig von einer Bank, die mich wegen einer vergleichbar geringen Summe zum Kaufpreis nackt ausziehen wollte. Und einmal die Suche nach einem
Transportunternehmen angekurbelt, konnte ich unerwartet wählen. Mit
einem 20m langem Tieflader soll es über Land nach Ueckermünde
gehen. Ich erwähne jetzt nicht, dass ich bis zur Vertragsunterzeichnung mit den Besitzern noch dreimal meine Meinung änderte, um das Boot
doch nicht mehr zu kaufen. Ja und tatsächlich saß ich dann erneut in
Greifswald zwischen den tollen neuen Hanse- und Dehleryachten zusammen mit meinem Seemann auf der Arion 29. Dann stellt sich auch noch
heraus, dass der eingetragene Eigner eine Eignerin ist und ich nun mein
zweites Segelboot von einer Frau erwerbe. Warum mir das nun so wichtig
vorkommt, weiß ich selbst nicht so genau.
Ich gewann den Eindruck,
dass wir alle ziemlich entspannt waren. Mein ursprüngliches
Misstrauen war gänzlich verschwunden. Eine Besonderheit muss ich noch erwähnen. Mein Vorsatz niemals ein Boot ohne Probe zu segeln zu kaufen, war nun schon ohnehin über Bord geworfen. Ein Boot jedoch ohne die Eigner vor Ort zu übernehmen, das klang schon recht abenteuerlich und jeder Bootskaufratgeber würde mir hier sämtliche Alarmglocken um die Ohren schleudern...
Es war besonders still auf dem Boot, als wir der Geschichte lauschten, die in den ganzen Verkaufsabsichten mitschwang. Ein Sabbatical zu organisieren und zu planen, scheint für sehr viele recht aufwendig und schwierig und oftmals ein langersehntes Begehren, welches doch einige Vorbereitungen benötigt. So war von den Beiden ein großer Wunsch, dass sie die Pura Vida vor ihrer Reise gern abgeben würden, ohne sich noch weitere Sorgen um das Boot während ihrer Tour machen zu müssen. Ihren Wunsch schlossen sie in ihre Gebete ein, doch so recht wollte er nicht in Erfüllung gehen. Ein Tag vor Abreise klingelte das Telefon...
Es war besonders still auf dem Boot, als wir der Geschichte lauschten, die in den ganzen Verkaufsabsichten mitschwang. Ein Sabbatical zu organisieren und zu planen, scheint für sehr viele recht aufwendig und schwierig und oftmals ein langersehntes Begehren, welches doch einige Vorbereitungen benötigt. So war von den Beiden ein großer Wunsch, dass sie die Pura Vida vor ihrer Reise gern abgeben würden, ohne sich noch weitere Sorgen um das Boot während ihrer Tour machen zu müssen. Ihren Wunsch schlossen sie in ihre Gebete ein, doch so recht wollte er nicht in Erfüllung gehen. Ein Tag vor Abreise klingelte das Telefon...
Mein letzter Sommer mit meiner kleinen
Varianta! Das einzige was ich von ihr neben den unzählig schönen
Erfahrungen behalte, wird ihr Name sein:
Akua!
Mein absolutes Traumschiff und lange Zeit unerreichbar - eine Dehler 28s. Diese ist zum Kielschwerter umgebaut worden...
ehrlich, ohne Schnörkel und ungeschönt - das Bild vom Eigner aus der Verkaufsannonce |
Ich unterzeichne und fühle mich reich,
reich an vielen kleinen und großen Wundern...
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