Peenetour Teil 1

Schlechtwetterfront am geplanten Abreisetag


Mist, ich habe mich ordentlich in der Zeit vertan. Es ist bereits 15 Uhr und ich stehe noch immer im Supermarkt, um die letzten Vorräte zu kaufen. Das werde ich wohl heute nicht mehr schaffen. Das Wetter stimmt mir zu. 4 bft und immer wieder dicke Regenwolken. Gegen 16.00 Uhr habe ich alles verladen, der Wind hat zugenommen und wir basteln immer noch an meinem Lichtmast. Auch hat sich die Leiste vom Schiebeluk gelöst. Sie muss neu verklebt werden. Ca. vier bis fünf Stunden bräuchte ich bis Anklam. Ich beschließe die Nacht noch in der Lagunenstadt zu bleiben.

Für einer Frau gleicht es einem Wunder! Ich hab nur 3 Paar Schuhe mit: Gummistiefel, FlipFlops fürs Fremdduschen und Segelschuhe. Aber 6??? Packungen Brot und 8??? Rollen Klopapier??? Bei dem vorausgeplanten Brotkonsum werde ich eher an Verstopfung leiden...

Am nächsten Tag breche ich gegen 10.00 Uhr auf. Die Sonne scheint und es weht eine ordentliche Brise. Im Ueckerkopf bekomme ich eine leichte Vorahnung, was mich draußen auf dem Haff erwartet. Das Wasser brodelt im Kanal wie in einem Hexenkessel. Kaum den Ueckerkopf verlassen, donnert mir auch schon eine ordentliche Welle gegen die Akua. Mit knappen 3knt kämpfen wir uns gegen an. Akua schluckt ordentlich Wasser und Johnson röhrt auf, sobald das Heck aus dem Wasser gehoben wird. Wir kommen kaum vorwärts, ich denke an Umkehr. Einer Nussschale gleich wird mein Boot übers Haff geschaukelt. Ich will aber nicht umkehren und kürze ab, vertraue den 70cm Tiefgang, um über die Fischernetze zu kommen. Ich werde die Wellen von der Seite abbekommen, sobald ich Kurs auf die Kaniner Brücke nehme. Zweifel tauchen auf und für kurze Momente Seekrankheit. Ich habe keine Zeit dafür und finde tatsächlich den Kurs, der Akua seitlich über die Wellen surfen lässt. Bei gleicher Motorumdrehung bringt sie es nun auf 6 knt. Meine Anspannung fällt, es beginnt Spaß zu machen. Ich hab irgendwo einmal gelesen, wenn du deinem Boot nicht vertraust, ist es das falsche. Ich weiß nicht so recht, denn erst als ich aufhöre an Johnson zu zweifeln und an die Stabilität der Auka zu glauben, verliere ich die Angst. Mit Akua stimmt schon alles, nur ich muss lernen, dem Boot und vor allem mir zu vertrauen

Es wird ruhiger, je näher ich der Kaniner Brücke komme. Als ich endlich die Peene erreiche kann ich von Wellen nicht mehr sprechen. Doch die nächste Sorge breitet sich über mein Gemüt aus: Das Anlegen in Anklam bei Wind und Strömung ganz allein... Dafür habe ich mir eine lange Festmacherleine vom Bug ins Cockpit gelegt. Hab ich Achtern mein Boot fest und die Leine vom Bug in der Hand, kann ich an Land und mein Boot bzw. die Bugspitze nicht mehr weg. So die Theorie. 

Vor mir liegt Anklam. Ich kann kaum glauben, dass ich wirklich ganz allein unterwegs bin. Die Verantwortung liegt gänzlich bei mir, plötzlich spüre ich den Wind und seine Richtung. Er ist wichtiger geworden, auch ohne Segel und ebenso die Strömung des Flusses. Nun war ich so lange auf den Weltmeeren mit meinem damaligen Lebensgefährten unterwegs, hab ihn vieles erledigen lassen, was dabei wichtig ist, ein Boot zu steuern. So wirklich musste ich mir kaum Gedanken machen, was eben auch eine große Lücke hinterließ. Während er sein Boot immer besser beherrschte, verlor ich das Interesse daran und das Vertrauen in mich. Fast hätte ich meinen Traum vom Segeln aufgegeben. Nur ein Tag allein auf meiner Akua unterwegs brachte mein ursprüngliches Feuer der Leidenschaft erneut zum lodern. Ich lege ein vorbildliches Anlegemanöver am Wasserwanderrastplatz in Anklam hin. Ein breites Grinsen meißelt sich fast bleibend in mein Gesicht. Käffchen kochen, meinen Seemann anrufen, und meine klammen Finger aufwärmen, dass würde mir als erstes genügen, bis unverzüglich der Strich durch die Rechnung kam. Ich solle da weg und Platz für die großen Boote machen. Eine Box sei für mich vorgesehen. Also noch mal los und umlegen. Meine Pinne war schon eingepackt. Johnson tuckert wieder auf. Mist, die Fender hängen auf der falschen Seite, auch meine Vorleine. Keine Ahnung wie viele Anläufe ich brauchte, um an meinem neuen Liegeplatz fest zu vertäuen. Diesmal bekam ich Hilfe von zwei Wohnmobilreisenden. Ich sprach sie zuvor an, ob sie mir helfen könnten. Und das war auch gut so, denn ich war reichlich erschöpft und meine Hände steif gefroren, mal abgesehen vom Seitenwind, der mich immerzu vom Steg wegtrieb. 

Am Abend werde ich mit einem schönen Sonnenuntergang ohne Regen belohnt. Für ein paar Minuten wirkt alles friedlich und entspannt, bis es erneut auffrischt und der Regen zurück kam.

2kw Stunden kosten 1 Euro. Ich rechne wie lange ich meine Heizlüfter laufen lassen kann. Wasser bunkern geht nicht, da man 100 Liter kaufen muss. Schade. Am nächsten Tag besucht mich mein Seemann. Wir kaufen eine Wärmflasche und ich fülle meine Wasservorräte im Anklamer Autohaus, denn selbst im Waschraum des Rastplatzes ist es mir nicht möglich Wasser in meine Flaschen zu füllen. Die Hähne sind zu tief im Becken.

endlich auf der Peene

Wetterfenster abgepasst - dennoch trotz Sonne furchtbar kalt

Anklam

letzte Brücke vor dem Wasserwanderrastplatz

Abendstimmung am Liegeplatz

Frühstück am Morgen - gesundes, frisches Essen spielt für mich eine große Rolle

Zwei Nächte bleibe ich in Anklam. Ob ich wirklich bei dem Wetter los will, werde ich gefragt und ernte mitleidige Blicke. Bis Jarmen möchte ich kommen. ca. 30 km liegen vor mir. Es schüttet hin und wieder aus Kannen, dann Nieselregen. Irgendwann ist es nur noch kalt. Ich muss mich bewegen. Mein Rücken steuert die Pinne und um mich aufzuwärmen beginne ich hin und wieder zu tanzen und laut zu singen. Die Peene wirkt mystisch. Am Ufer finde ich in regelmäßigen Abständen Schilder mit Zahlen drauf. Tatsächlich werden mir zuverlässig die Kilometer angezeigt, die ich abfahre. Ein GPS ist nicht notwendig. Die Angaben stimmen mit meiner Karte perfekt überein. Es gab Zeiten, da habe ich mich lustig über die Motorbootfahrer gemacht, die nicht die zurückgelegten Meilen angaben, sondern in Kilometern rechneten. Heute weiß ich warum das so ist und lache nun über mich selbst.

Ich erreiche Jarmen. Und obwohl ich mir fest vornahm, dort eine Nacht zu bleiben, ziehe ich weiter, und lasse den kostenlosen Liegeplatz hinter mir. Unter zwei Brücken hätte ich nächtigen müssen.Die Betriebsamkeit am Kai verstörte mich zusätzlich. Doch letztlich musste ich mir eingestehen, dass ich mich eher vorm Anlegen fürchtete. Es war nicht mehr das alleine Segeln, was mir zu schaffen machte. An- und Ablegen wurde zum größten Thema. In Loitz werde ich nicht drum herum kommen. Ich singe schon lange nicht mehr. Mittlerweile bin ich schon über 40 km unterwegs. Besorgt schaue ich auf die Karte. Loitz hat einen kleinen von der Strömung geschützten Hafen, doch der Wind wird seitlich auf mein Boot drücken. Werde ich schnell genug reagieren? Wie weit stehen die Dalben auseinander, wie weit sind sie von der Kaimauer entfernt? Wenn ich den Dalben der Wind zugewandten Seite erwische, hab ich es fast geschafft.

Ein Kinderspiel war es nicht. Und mir ist bein anlegen endlich ordentlich warm geworden. Ich hätte doch in Jarmen festmachen sollen, nur zur Übung und vor allem gegen die Kälte. Damit die Fender nicht wieder auf der falschen Seite hängen, holte ich bereits in Anklam die andern drei heraus, die ich vorsorglich auf der anderen Seite befestigte. Dabei stieß ich erneut auf so ein blöden Mythos. Bootsleuten, die mit raushängenden Fendern unterwegs sind, wird gerne mangelnde Kompetenz unterstellt. Ich weiß nicht mehr so recht. Das Deck meiner Akua ist glitschig nass, jeder Gang darauf eine Wackelpartie. Was nützt mir eine Schwimmweste, wenn ich meinem Boot vom Wasser aus hinterherschauen muss, weil ich über Bord gegangen bin. Ganz kompetent saust es dann ohne außen hängende Anfängerfender und ohne Steuerfrau ins Schilf. Über manches Klischee beginne ich intensiver nachzudenken und nehme mir selbst vor, mich nicht mehr über Kilometerangaben oder Fender lustig zu machen. eigentlich über gar nichts mehr lustig zu machen. Es wird schon alles einen Grund haben. Meine Fender bleiben jetzt draußen. Unterwegs machte ich einige kleine Anleger aus, die ich so jederzeit spontan nutzen könnte, ohne gleich hektisch übers Deck stolpern zu müssen.


Akua liegt fest vertäut in der Marina von Loitz. Und wieder ein kleines Erfolgserlebnis! Einer erfahrenen Seefrau gleich, stapfe ich zum Hafenmeister. Sieben Euro die Nacht kostet der Platz zuzüglich zwei Euro Strom endlos pro Tag. Ich bin im Paradies und falle erschöpft in die Koje. Erschöpft und glücklich.

Liegeplatz für die nächsten zwei Tage


Erschöpft, glücklich und mit Farbe im Gesicht

Am nächsten Tag liegt Loitz im Nebel versteckt. Ich werde von unzähligen Vogelstimmen geweckt. Ein Kuckuck ist auch dabei. Es regnet nicht mehr und gegen Mittag klart es auf, wird endlich wärmer. Später zeigt sich sogar die Sonne. Ich schaue mir die Stadt an. Eine Stadt mit viel Geschichte, eine schöne alte Stadt und dennoch mit bedrückender Stimmung. Viele Häuser verfallen zwischen den sanierten. Mancher Blick in die Fenster lässt auf das fortgeschrittene Alter der Bewohner schließen. In den Seitenstraßen spüre ich das Leben der Menschen in Hühner- und Gänsegärten, mit Holzhaufen und unzähligen großen und kleinen Baustellen - starke Kontraste zwischen Vergangenheit und Zukunft. Für kurze Momente werde ich an irgend einen Ort in Griechenland erinnert. Wozu so weit reisen, wenn doch ähnliches ganz in der Nähe scheint? In mir wird erneut meine Entdeckerlust geweckt, im ganz kleinen und doch fühlt es sich groß an.

Nebel am Morgen

kleine Seitenstraße

Marktplatz

Stadt mit Geschichte



Straßengalerie der verlassenen Häuser, so etwas habe ich das erste Mal auf den Kanaren gesehen:







Mein Seemann holt mich ab. Wir sind auf eine Feier eingeladen. Drei leere Kanister Benzin im Gepäck und drei leere Wasserbehälter. Auf fast 90 km hat Johnson ca. 20 Liter Benzingemisch verbraucht. Wenn ich noch einen 5 Liter Kanister auftreiben kann, schaffe ich es bis Malchin und den gesamten Weg nach Anklam zurück.

Was sein muss, muss sein - der Abwasch wartet und die Benzin- und Wasservorräte müssen kontrolliert werden. Jeweils drei Kanister sind leer.


Während meiner Reise denke ich viel an die neue Akua. Wie lebt es sich auf ihr, was wird angenehmer sein, was weniger spektakulär. Anfangs war ich noch unsicher, ob erneut ein Kielschwerter das Richtige für mich und das Revier hier sei. Nun bin ich überzeugt davon. Wenn ich von meiner Tour zurückkomme, werden wir so gleich die Taschen packen. Dann machen wir uns auf den Weg, die kompakte Dehler nach Ueckermünde zu holen. Über AIS verfolge ich die Verkäufer meiner neuen Akua. Sie sind bereits in Polen angekommen. Sie wetterten erst in Leba ab, um dann ihre Reise fortzusetzen. Ich verstehe zunächst nicht, warum sie ihren Kurs von NordNordOst auf West änderten und das bei nur noch einem Knoten Fahrt. Die Auflösung erhalte ich am Morgen. Sie mussten von der Küstenwache abgeschleppt werden, da sich ihr Ruderblatt löste. Meine Entscheidung die neue Akua über Land zu überführen, bestärkte sich damit. Das richtige Boot erkennst du daran, dass du ihm vertraust. Mit dem Riss im Ruderblatt konnte ich das nicht und ich bin mir sicher, wenn ich sie vor Ort für die Saison vorbereite, werde ich die Neue ebenso kennen lernen und ihr damit vertrauen, wie meiner kleinen Varianta 65, die ich mit viel Liebe, Energie und Zeit für schöne Stunden und Tage vorbereitet habe. Denn wenn ich eins von meinem damaligen Skipper auf der großen Reise gelernt habe, dann, dass die größte Sicherheit die eigene Sorgfaltspflicht dem Boot gegenüber ist, aber auch das Vertrauen in dich selbst, in schwierigen Situationen immer eine Lösung zu wissen. Es muss nicht die beste sein, aber eine, die dich jederzeit über Wasser hält...

Akua bleibt für eine Nacht allein zurück- Leicht fällt mir das nicht!

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