Auf ein Neues...
Nein, mein Traumboot war dieses Schiff
nicht, auch wenn der Typ an sich mir sehr zusagte, doch dieses
Exemplar hier, nun ja, ich verspürte Mitleid, gleichsam passte es in
meinen Geldbeutel. Ich hätte noch ein zwei Jahre auf die perfekte
28er warten und sparen können... Der Rumpf ist stumpf, das Deck
ebenso, die recht neuwertig wirkenden Fallen moosgrün, in den Ecken
Laub und Dreck, das Unterwasserschiff eine Kraterlandschaft, auch der
Propeller hatte schon mal bessere Zeiten gesehen. Kopfzerbrechen
macht mir das gerissene Ruder. Ich baue es als erstes aus.
Zugegeben, innen wirkt das Boot sehr gepflegt, obschon die
abgestellten Schüsseln auf Undichtigkeiten hinwiesen. In der
Achterkabine kommt mir ein stechender Geruch entgegen. Die
Verkleidung beginnt bereits Stockflecken anzusetzen. Wenn das eine
Akua werden soll, dann gibt es noch eine Menge zu tun. Ich brumme dem
Boot ein „Es wird schon“ zu, dann suche ich meinen Kram zusammen.
Als erstes schrubbe ich die gesamte
Innenkabine, vor allem Achtern lasse ich keine Stelle uneingeseift.
Auch die Wandverkleidung wird ordentlich eingeschäumt. Und ich
lüfte. Auch im Bug und Achtern in den Staukammern finde ich
Schimmel. Kein Winkel entgeht mir.
Akua genießt es und hinterlässt mir
immer wieder kleine Geschenke. Als erstes finde ich den zweiten
Motorschlüssel, der als verschollen galt und freue mich riesig. Dann
entdecke ich die Fliegengitter zu allen kleinen Luken. Toll! Doch
Akua deckt auch die kleinen und größeren Lügen über sie auf. Da
kennt sie kein Erbarmen. Außen in der Backskiste verschwinde ich
gänzlich. Ich kann mich zwar nicht drehen, passe aber komplett
hinein. Dabei werfe ich einen Blick auf die Bezeichnung des Tanks.
Aus, beim Kauf angegebenen 35 l werden urplötzlich realistische 25
l. Oh man, dass erscheint mir nun doch zu wenig, schon 35 l war hart
an der Grenze... Platz für einen größeren Tank wäre da... Auch
vor der Ankerkiste mache ich keinen Halt. Sie ist die letzte Ecke, in
der ich noch nicht war. Seit Wochen bin ich auf der Suche nach der
Baunummer. Ich vermute sie fast überall, sogar im Motorraum.
Eigentlich sollte sie am Bug des Rumpfes eingeprägt sein, oder in
der Nähe des Motorbedienpanels. Nichts! Nein, die Nummer ist im
Ankerkasten einlaminiert und erklärt mir schonungslos, dass Akua
nicht aus 1993 ist, sondern die dritte Dehler 28s und die kann nur
1990 gebaut worden sein...
Knappe vier Tage benötige ich für das
gesamte Unterwasserschiff einschließlich Kiel um es nur zu
schleifen. Dabei hab ich den Propeller noch nicht einmal angerührt.
Aber der entkommt mir ebenso wenig. Ich gehe nicht ganz so satt ran.
Die festen Altschichten bleiben, nur dort wo es blättert bin ich
besonders akribisch. Ich komme mir vor, wie beim Putzen eines
Pferdes, der Bauch scheint besonders viel Pflege nötig. Ich meine
sogar, Akua durch die Nüstern schnauben zu hören, genüsslich
natürlich. Endlich jemand, der sich kümmert. Sie beäugt mich und
wird abgeduscht.
Mittlerweile habe ich erfahren, was es
mit dem Kiel auf sich haben könnte. Dehler selbst lieferte keine
Kielschwerter der 28s aus. Für die Dehler 28s in Österreich wurde jedoch
ein Kielschwert separat entworfen, welches auch dort gebaut wurde.
Der Kiel selbst ist aus Edelstahl und mit Blei gefüllt, auch das
Schwert ist aus Edelstahl. Es scheint also, dass alle Dehler 28s mit
Kielschwert aus Österreich kommen. Dies erfuhr ich über ein
Inserat. Dort wurde ebenso eine Dehler 28s als Kielschwertversion
angeboten. Ich fragte nach und erhielt nun diese Info. Im Netz jedoch
konnte ich nichts darüber finden.
Eine weitere Arbeitswoche benötige ich
für den Anstrich des Unterwasserschiffes. GFK-Rumpf und
Edelstahlkiel behandle ich unterschiedlich. Fünf Schichten 2K Primer
sind für den Kiel geplant. Ich schaffe nur vier, mehr gibt die Dose
nicht her. Dann kann ich das gesamte Unterwasserschiff grundieren.
Der ursprüngliche blaue Anstrich verschwindet nun gänzlich. Rot
soll Akua nui werden. Ein schönes Rot, kein Rostbraunrot! 2,5 l
Antifouling schluckt das Boot. Fürs Ruder habe ich nichts mehr
übrig. Auch 2K Primer muss nachbestellt werden.
Was ein frisches Unterwasserschiff
ausmacht! Als ich dann auch noch den Propeller poliere und die Anoden
austausche, scheint mein Glück perfekt. Sie sieht einfach toll aus.
Ich erinnere mich an die erste Begegnung mit ihr. Sie hatte mich
damals schon angeschaut. Gutmütig blickte sie. Vielleicht wollte sie
mir sagen, lass dich nicht von Äußerlichkeiten verschrecken.
Dahinter verbirgt sich ein schöner Schwan, vorallendingen aber ein
treuer! Sie kam mir so unfassbar geduldig vor, wie sie da so stand,
verlassen und abgeschoben. Viele Boote hätten nach zwei Wintern
ausgesehen wie ein Totalschaden, farblich Mutter Natur angepasst.
Akua nicht. Wie robust sie wirkt. Sie schien darauf zu vertrauen,
dass jemand kommen wird, jemand, der fähig ist, sie wieder zu lieben
und sich um sie zu kümmern.
Die Poliermaschine saust über den
matten Rumpf. Ich bin froh, dass Akua kein Langkieler ist, so
benötige ich für die ersten beiden Drittel keine Erhöhung, auch
wenn meine Armmuskulatur gefühlt an Popeye erinnert. Boah! Der Rumpf
glänzt wunderschön. Selbst der Dreck, den ich mit keinem Putzmittel
der Welt wegbekam. Die Wassertropfen perlen und ich bin stolz auf
mein Boot. Es wird Zeit für die Beschriftung! Doch vorher muss das
Ruder repariert werden...
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