Die neue Akua

wenig und doch ganz viel - das Haff

Fast schon angewidert robbe ich auf Knien an Deck dieser Sun Way 25. Bereits im Innenraum konnten wir die Leckagen an der Bordwand hinter den Schapps erkennen. Angeblich müssten mal die Reelingstützen neu abgedichtet werden. In der Bilge steht Diesel, im WC-Raum Frostschutzmittel, am Unterwasserschiff sind Blasen zu finden. Alle Instrumente sind blind, das ganze Boot schaut aus, als ob es noch nie sauber gemacht wurde und die Plane für den Winter viel zu spät übers Boot gewickelt wurde. Grünspan wo das Auge hinreicht. Auch das Zubehör, die Segel sind alt und zerschlissen. Vieles kann repariert werden. Das meiste davon trauen wir uns zu. Doch dann ereilt mich über Nacht ein furchtbar schlechtes Gefühl. Noch einmal muss ich das Boot ganz genau anschauen. Mein Gefühl trügte uns nicht. Angeblich sei mal ein Motorboot in die Sun Way gekracht. Auch am Bugspriet gab es eine Detonation. Glaubt man den Rissen um den Mastfuß, aber auch an der gesamten Scheuerleiste und der Seereeling, musste es ordentlich zur Sache gegangen sein. Doch das Schlimme daran, die Schäden wurden nie behoben und Wasser konnte über die Jahre ungehindert ins Boot dringen.






Ich denke an meine Akua. Wie viel Zeit und Arbeit wir in sie steckten und das obwohl sie bereits in einem guten Zustand daher kam. Besonders an der Besegelung erfreue ich mich immer wieder. Obwohl meine Akua deutlich älter ist als die Sun Way, sind ihr solche Blessuren fremd. Ich gewann damals den Eindruck, dass jeder Eigner die kleine Varianta auf seine Weise liebte und jeder mit seinen Mitteln ins Boot investierte. Die letzte Besitzerin gestand sich ein, obwohl sie viel am Boot machte, doch nicht genügend Zeit und Erfahrung mitbrachte und suchte lieber einen neuen Eigner bzw. neue Eignerin. Als ich bei der Besichtigung meiner Akua sah, dass die Bilge randvoll mit Wasser war, konnte ich sofort lokalisieren woher das Wasser kommen konnte. Die Varianta 65 kenne ich in und auswendig, weiß um fast all ihre Schwachpunkte, wie Vorzüge. Doch auf der Sun Way spürte ich, dass ich gar nicht kompetent genug für dieses Boot bin. Gleichzeitig dachte ich an Akua. Wie wird es ihr wohl ergehen, wenn ich sie verkaufen würde? Gerade jetzt kommen fast täglich neue Varianten auf diversen Verkaufsplattformen rein. Ich erkenne sogar die, für die ich mich schon zu meiner Suche interessierte und mir vor der Nase weggeschnappt wurden. Ein, zwei Jahre, manchmal nicht länger, bleiben sie bei ihren Eignern. Dann müssen sie einem größeren Boot weichen. Schlagabtausch. Doch dass kann auch seine Vorteile haben, denn viele so wie auch ich investieren zunächst in ihre Schätzchen. Refit-Projekte reihen sich aneinander. Ich staune immer wieder, was es für tolle Einbauten gibt und erfreue mich an dieser Vielfalt und Kreativität. Dieser Bootstyp scheint tatsächlich unsterblich zu sein. Würde ich meine Varianta verkaufen, würde ich ebenso meine Kompetenz diesem Boot gegenüber aufgeben. Und genau dieses Wissen darum, macht sie so sicher und händelbar für mich.
Ich hatte mir drei Sun Way 25 angeschaut. Alle drei werden in meinen Augen viel zu teuer angeboten. Die letzte erscheint mir so gar überhaupt nicht mehr verkäuflich. Zustand und Ausstattung passten nicht zum Kaufpreis und alle drei hatten eins gemeinsam: Trotz der besseren Aufteilung des Bootes, der Größe und dem Innenborder gaben mir alle drei Boote das Gefühl, ich würde mich dennoch verschlechtern.
Traurig wirkte mein Seemann. Er hätte mir etwas mehr Luxus gegönnt. Dabei verliebe ich mich immer mehr in ihn, denn ohne eigennützige Gedanken hat er mich einfach nur tatkräftig bei meiner Bootssuche unterstützt. Er hat selbst ein Boot. Die gemeinsame Zeit auf seinem könnte zu kurz kommen oder meine Reise und damit Abwesenheit zu lange dauern. Gedanklich habe ich bereits ein Strickmuster auf dem Haff gezogen. Warum der Wunsch nach mehr oder größer, wenn doch alles ganz nah vor einem liegt. Der erste Hafen, den meine Akua mit mir ganz allein ansteuern wird, liegt im wunderschönen Rieth. Dort saß ich einst auf dem Kuhponton (ein Floß, welches im Sommer die Kühe zur Insel Riether Werder bringt, um die Fläche ökologisch beweiden zu lassen) und blickte über den Neuwarper See, eine kleine Ausbuchtung des Haffs. Der Duft der Nadelbäume, das seichte Wasser, die vielen Vögel und ihre Lieder, das Rauschen des Schilfes - eine schönere Gegend als das Haff konnte ich mir nicht mehr vorstellen. Dort fasste ich den Entschluss hier leben zu wollen und eines Tages mit meinem eigenen Boot am Steg in Rieht anzulegen. Und wer weiß, vielleicht steht dann auch schon mein Seemann auf dem Ponton und winkt mir zu, mir und meiner neuen, alten Akua!

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