Allein unter Segeln...


Es sollte nicht mehr nur noch ein Traum sein oder ein Herzenswunsch bleiben! 
Heute ist es nun so weit. Ursprünglich wollte ich gleich nach dem Mittag los zur Akua, klar Schiff  machen und dann ab die Post. Doch ich trödle herum, zögere den Start immer mehr hinaus, bis es drohte, kaum noch Zeit übrig zu bleiben. Gegen 16.00Uhr raffe ich mich auf und fahre Richtung Ueckermünde. Erster Stopp beim Supermarkt. Ich möchte Äpfel und Kekse mitnehmen, falls ich doch irgendwo ankern möchte oder gar hängen bleibe, in Fischernetzen zum Beispiel... Dann stehe ich vor der Akua. Sie tut so, als ob sie auf mich gewartet hätte. Ich bereite das Groß vor und lasse den Motor ins Wasser. Eigentlich kann es losgehen. Ich schaue mich noch einmal um. Ja, ich bin bereit!
Es ist zum verrückt werden! Die ganze Zeit springt der Motor zügig an, nur heute nicht. Ich probiere alles aus - Choke raus und wieder rein. Ein bissel Gas, dann keins mehr. Mal am Zusatztank pumpen. Nix zu machen, Johnson will einfach nicht. Etwas Erleichterung spüre ich schon. Aber nein, ich möchte jetzt keinen Rückzieher machen! Der Motor muss einfach anspringen! Leicht verzweifelt rufe ich meinen Seemann an. Ein paar Tipps kann er mir noch geben, dann entscheidet er sich, bei mir vorbeizukommen. Doch irgendwie will ich es alleine schaffen. Ich nehme mir vor, bevor er hier eintrifft, dass dann der Motor läuft.
Und tatsächlich. Einfach nur unendlich oft an der Strippe ziehen, Johnson tuckert ab und an auf, dann rattert er wie gewohnt durchgängig. Ich bin völlig verschwitzt und außerordentlich glücklich. Ich weiß, wenn ich die Akua alleine segeln will, muss ich mir selbst auch helfen können. Draußen ist so schnell niemand da und ich bin noch lange nicht so gut, dass ich die Akua wieder bis zum Liegeplatz ohne Unterstützung des Motors zurück segeln könnte, nehme ich an. Ich brauche also den alten Johnson. Ein paar nette Worte für die Knattermühle hab ich noch, dann steht auch schon mein Seemann vor der Akua. Ich glaube, er wollte mit mir diesen großen Moment genießen und mir beim Ablegen zuwinken.
Das Ablegen klappt gut. Da kann auch nicht viel schiefgehen, weil ich ja zwischen zwei Booten liege und mich zwei Sicherheitsleinen von ihnen trennen. An denen kann ich mich zur Not immer raus oder rein hangeln, auch wenn das nicht gerade besonders seemännisch ausschaut. Bin ja auch ne Seefrau!
Stolz fühle ich mich, als ich aufrecht auf dem Süllrand sitzend die Pinne in der Hand halte, zum Ueckerkopf steure und den ein oder anderen Segler grüße. Ich frage mich, wie ich von außen wahrgenommen werde... 
Auf dem Weg zum Haff, lege ich mir eine Strategie fest, wie ich am besten die Segel setzte. Erstmal nur mit der Genua fahren, das genügt. Draußen sind ca. 3 Bft. Johnson läuft immer noch zuverlässig. Ich stelle Akua in den Wind, raste die Pinne ein und setze das Groß. Nahm ich mir nicht vor, nur mit der Genua zu segeln? Na gut, warum nicht, dann eben erst mal nur mit dem Groß. Es ließ sich problemlos hochziehen. Ich schalte Johnson in den Leerlauf und die Akua nimmt langsam Fahrt durch das Segel auf. Ach was soll's, wenn schon denn schon. Wieder hake ich die Pinne ein und hole nun auch die Genua raus. Den Johnson stelle ich aus, lasse ihn aber im Wasser. Ich will ihn nicht ankippen. Ich habe Sorge, dass er dadurch nur wieder schlechter anspringt und mir erneut absäuft. Er darf fürs erste ruhig die Akua bremsen. Wir sind hier nicht auf einer Regatta!



Und schon geht es hart am Wind. Ich höre es an der Genua. Sie beginnt dann erbarmungslos zu flattern. Es pustet aus NO. Ich steure auf Altwarp Siedlung zu. Außer mir mache ich noch zwei, drei andere Segler aus. Verrückt! Ich bin fast allein auf dem Haff, zumindest fühlt es sich so an. Und das kommt mir sehr entgegen. Ich habe mit Pinne und Strippensalat genug zu tun. Meine Anspannung legt sich erst einige Zeit später.



Ich habe kein Ziel. Eigentlich möchte ich nur Manöver üben. Wenden, Halsen, Kreuzen... Ich ziehe einen Kreis vor Berndshof zwischen den Tonnen, die mir als gute Hindernisse dienen. Ich übe das Ausweichen. Auf fünf Knoten komme ich zwischendrin. 


Meine erste Halse gelingt ohne Murren. Dann wird mir bewusst, dass ich segle, und zwar ganz allein. Zwischen der Aufregung macht sich Begeisterung breit, Begeisterung und Euphorie: 

Tina, du hast es geschafft. Du bist ganz nah ans Wasser gezogen, hast alles hinter dir gelassen, das Haff als deine neue Heimat definiert. Hast dir dein eigenes Boot erworben, dein Traumboot - eine Varianta 65, hast sie Akua getauft, so wie die Boote in deinem Roman. Es gab so viele Hindernisse, viele Stimmen, die es dir versuchten, auszureden oder dir es gar nicht erst zutrauten. Dann hast du all deinen Mut zusammen genommen, bist raus aufs Haff und hast die Segel gehisst – allein! 

Ich bin den Tränen nahe. Die gesamte Anspannung der letzten Jahre scheint von mir zu fallen. Akua schneidet das Wasser und trägt mich. Was für ein gutmütiges Boot!


Ich sehe mich als Kind, als ich auf der Ostsee die ersten weißen Segel sah. Dort entsprang der Wunsch, eines Tages ebenso zu segeln. War das ein weiter Weg! In wie vielen Häfen schaute ich mich um? Die Sehnsucht stieg von Tag zu Tag. Selbst als es über den Atlantik ging, dachte ich an Akua. In den schwersten Stunden... Doch es hat sich gelohnt! Ich sehe meinen Seemann vor mir, wie er mich zu meiner ersten Tour alleine verabschiedete. Mir wird warm ums Herz. Akua führte mich zu ihm!

Nach anderthalb Runde zwischen den beiden Einfahrten Berndshof und Ueckermünde kehre ich nach einer gefühlt unendlich langen Reise heim. Ich steure die Akua vorbei am Ueckermünder Leuchtturm, vorbei an der Einfahrt der Lagunenstadt, vorbei an den beschilften Ufern der Uecker, aus denen die Fischreiher emporsteigen, kommt man zu nahe. Von weiten kann ich die Mastspitzen der Boote vom Yachtclub sehen. Wie vertraut doch nun alles wirkt!

Einfahrt in die Uecker

Lagunenstadt

Unterwegs auf der Uecker zum Yachtclub

Yachtclub Ueckermünde

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Kommentare

  1. Schööööööööön; ich kenne die weißen Segel aus meiner Kindheit, vom Großen Müggelsee, wo ich aufwuchs - ich kann das sooooo gut nachfühlen.

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    1. Liebe Berthild, vor kurzem waren wir in Berlin und haben uns ein kleines Motorbötchen gemietet. Damit sind wir dann zum kleinen Müggelsee gefahren. Ganz schön Verkehr mittlerweile auf den Berliner Gewässern... Hier auf dem Haff geht es deutlich entspannter zu. War aber trotzdem sehr interessant! Liebe Grüße nach Berlin, Tina

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