Es ist wieder soweit, AKUA nui
startklar, alles segelsicher verstaut, Proviant und ausreichend
Trinkwasser gebunkert, die Tanks gefüllt. Ich bin gerüstet für
Tage, wenn nicht gar Wochen. Dabei werde ich nicht einmal eine ganze
unterwegs sein. Zunächst bis Anklam über Karnin einhand, dann wird
meine Segelfreundin Katrin zusteigen. Unser Ziel ist der Naturhafen
Krummin. Was so besonderes daran ist? Für mich bedeutet es eine
Menge, denn ich werde das erste Mal durch die Zecheriner Brücke mit
meiner AKUA steuern, das erste Mal das Haff tatsächlich hinter mir
lassen. Es fühlt sich an, als ob sich das Gartentor meines vertrauten Revieres
öffnen wird und wir hinaus in die weite Welt segeln. Ja, das möchte
ich noch in dieser Saison erleben, das Vertraute mit dem Neuen
vereinen, eine Marke knacken, die mir noch vor Wochen unerreichbar
schien.
Und natürlich habe ich Westwind.
Westwind meint kreuzen. Noch im Ueckerkopf ist alles ruhig. Ich kenne
dieses trügerische Bild. Beim letzten Mal wiegte ich mich in
Sicherheit und hab dann aber draußen ordentlich eins auf die Mütze
bekommen. 5bft fegten mir um die Ohren, ein Reff war mir immer noch
zu viel. Wieder im sicheren Hafen schleppte ich den Muskelkater noch
ein paar Tage später mit mir herum. Ich bin also gewarnt und die
Reffs noch vom letzten Törn gesetzt. Auf geht’s, volle Fahrt
voraus... 3 bis 4 Knoten, mehr wird’s nicht. Meine Stirn schlägt
Falten und schon stehen wir im Wind, um das zweite Reff zu lösen. Da
hocke ich nun mitten auf dem Haff, fehlen noch Kaffee und Kuchen,
ähnlich wie auf einer Dampferfahrt. AKUA nui stampft fast
kerzengerade mit ihrem Mast auf der Kreuz. Also hoch mit dem ganzen
Tuch und unter voller Besegelung Richtung Karniner Brücke weiter.
Der kalte Wind peitscht mir ins Gesicht, die Finger werden an der Pinne langsam
klamm und das Herz hüpft vor Begeisterung fast von Bord, Wind und
Wellen entgegen. Das ist Segeln, ja! Richtiges herbstliches Segeln mit
Wind, den ich spüren kann, rauem Wind, solch einer, der auch zu
sehen ist... Du siehst ihn an der Farbe der Wolken, siehst ihn in den
Segeln, im Wasser über den kappeligen Wellen, auf der Haut und in
deiner Seele...

Das erste mal, dass ich das Schwert so
richtig aufhole. Ich erreiche die Mündung zur Karniner Brücke. Und
um so weit wie möglich die Ufer auszusegeln brauch ich so wenig
Tiefgang wie es geht. Noch bin ich etwas zurückhaltender, das wird sich jedoch die nächsten Tage ändern. Es begeistert mich wie gut sich AKUA dennoch
segeln lässt. Ich spüre kaum eine Veränderung. Vielleicht wird sie
mehr Abdrift haben, doch hoch genug am Wind komme ich allemal.
Nach knappen vier Stunden und satten 15 Seemeilen erreichen wir den Hafen von Karnin. Der Wind kommt seitlich
von Achtern und treibt uns geradewegs auf den Liegeplatz an den
Steg. Ich verzeichne meine erste Schramme am Bug meiner AKUA. Sorry,
meine Liebe! Sie hätte mir zuzwinkern und sagen können, sie sei
kein rohes Ei. Es wird nicht bei dieser Schramme bleiben...
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Karniner Brücke |
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Im Hafen von Karnin angekommen - viele Boote liegen hier nicht mehr |
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auf der Kreuz |
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am nächsten Morgen |
Am nächsten Tag gegen frühen Mittag
breche ich nach Anklam auf. Voraussichtlich werde ich Westwind haben
und auf der Peene nicht segeln können. Doch ich lasse es mir nicht
nehmen, zumindest solange zu segeln, bis wirklich gar nichts mehr möglich ist. An
der Peenemündung ist tatsächlich Schluss. Hier können sicherlich
noch Jollen gegenan kreuzen. AKUA würde die Breite nicht reichen,
viel zu wenig Fahrt aufnehmen, um dann auch schon wieder wenden zu
müssen. Also muss der Volvo ran. Ich werde an meine Peenetour im
Frühjahr erinnert. Selbst das Wetter scheint ähnlich. Kalt fühlt
es sich an, bewölkt ist es und es wehen mir 4 bft entgegen. Mir bleibt auf
gerader Strecke Zeit für ein Käffchen und Butterkekse. Ja, wie auf
meiner kleinen Varianta 65 im Frühjahr. Schön war es! Und offenbar mag ich
die etwas raueren Monate. Ich denke an Wollsocken, Wärmflasche
und Petroleumlicht. Was für ein herrliches Leben!
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vertrautes Bild - die Peene vor Anklam |
Anklam voraus! Ich bin nervös, denn
der Seitenwind und die Strömung werden mir das Anlegen erschweren.
Grüne Schilder mit der Aufschrift Gäste zeigen, wo ich anlegen
muss. Der Bootclub vor der Klappbrücke soll meine nächste Station
werden. Doch was meint das Schild von 3,50 bis 4,50 Breite? Sind
damit die Dalben gemeint? Prima, dann passe ich rein. Der erste
Anlauf missglückt. Ich verfehlte den Wind zugewandten Dalben und
muss den Rückwärtsgang einlegen. Die rostige Eisenkonstruktion an
der ich anlegen möchte, wirkt nicht vertrauenswürdig. Diesmal
schaffe ich es und erreiche den ersten Dalben, dann den zweiten
backbord. Die Konstruktion schiebt meine Fender beiseite. Ich ahne, was passieren wird. Wir haben keine Chance, der Wind drückt mein
Boot unbarmherzig gegen das Eisen. Ich versuche mich noch mit aller
Kraft davon abzustoßen, um erneut abzufendern. Ich schaffe es nicht.
Ich weiß nicht, wie lange ich gebraucht habe, um AKUA in der
richtigen Position zu vertäuen. Ich bin schweißgebadet und AKUA
trägt erneut aber mit Würde einen weiteren Schmiss davon.
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der rostige Anleger mit kantigen Schweißnähten und ohne Schutz - der mittlere Dalben wird zum Verhängnis |
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irreführende Beschilderung |
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Bootsclub Anklam |
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Stärkung am Abend - frisch, vitaminreich und natürlich in Bioqualität |
Über Telefon erreiche ich den
zuständigen Hafenmeister. Am Abend wird er kommen. Ansonsten
herrschte reges Treiben im Segelverein. Mittlerweile fing es auch an
zu regnen. Ich fühle mich wie ein Eindringling, werde eher
zurückhaltend begrüßt. Ich dachte ich höre nicht richtig. Der
Hafenmeister möchte dass ich umlege. Er spricht nicht in ganzen
Sätzen und ich versuche zu erraten, welchen Grund er hierfür sieht.
Neben mir sind alle Gästeanleger frei, kaum zu glauben, dass sich
daran in den nächsten Tagen was ändern wird. Dennoch, ich solle
dahin, wo es grün ist. In der Nähe des Mastkrans liege ich und da muss ich
weg. Am nächsten Nachmittag wollen sie einen Mast legen.
Außerdem sei mein Boot keine 3,50 breit. Nun leuchtet mir auch
langsam ein, was hier die verwirrende Beschilderung zu bedeuten hat.
Den Abend darf ich noch liegen bleiben. Ich erkläre es mir so, dass
sich hier her nun wirklich kaum fremde Segler verirren und der Verein
offenbar auch keine Erfahrung mit allein segelnden Frauen gesammelt
hat. Ich muss wie eine Außerirdische gewirkt haben, so dass Etikette
schon mal abhanden kommen können. Ja, aber was mache ich denn
überhaupt in Anklam?
Am Tag drauf ist eine Veranstaltung im
Autohaus meines Seemannes. Der neue Opel Zafira Life und der Combo
werden präsentiert. Und ich möchte mithelfen, Kaffee und Kuchen zu
servieren. Doch am meisten interessieren mich selbst die beiden
Autotypen. Schon lange bin ich auf der Suche nach einer adäquaten
Alternative zum VW Bus und zum Caddy, denn die Qualität dieser Marke
hat mich nach meinem letzten Versuch, mich noch einmal darauf
einzulassen, erneut maßlos enttäuscht. VW hat nun bei mir endgültig
abgelost. Die beiden Opel lassen sich sehen und überzeugen mich,
besonders der Zafira Life. Was für eine geile Kiste!
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Traumhaft, mit dem Boot zur Arbeit! Ölzeug nun abgelegt... |
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mein Seemann spendiert mir eine Extraführung und präsentiert die neuen Modelle |
Meine Einhandsegeltour ist nun beendet!
Segelfreundin Katrin steigt hinzu. Nun wollen wir gemeinsam weiter
nach Krummin segeln, einer meiner Lieblingshäfen, zumindest
bislang... Auf dem Weg dahin liegt die Zecheriner Brücke, mein Tor
zur Welt! Unsere Hoffnung auf dem Rückweg die Peene segeln zu
können, stirbt schon am Vortag. Keine guten Prognosen stehen zur
Aussicht. Tatsächlich hat der Wind auf Ost gedreht. Das kann nicht
wahr sein! Und wieder geht es unter Motor auf der Peene entlang. Der
Wettergott zeigt dennoch Erbarmen und sendet uns die schönsten
Sonnenstrahlen!
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Katrin richtet sich ein |
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super Wetter auf der Peene |
Da wir ohnehin bereits im Wind fahren,
setzen wir gleich nach der Mündung das Groß und kreuzen vor der
Brücke, bis sie sich öffnet. Da es Sonntag ist, begegnen wir
einigen Seglern aus Ueckermünde. Sie sind auf ihrem Heimweg. Wie
selbstverständlich steuer ich die AKUA durch das Nadelöhr, als hätte ich zuvor nie etwas anderes getan. Dann
setzen wir auch die Fock und segeln nun endgültig weiter. Der Pulk
vor uns hat sich aufgelöst und lässt uns zurück. Wir sind neben
einem Holzboot die einzigen Segler, die auf Motorkraft verzichten. 2
bft auf die Schnauze, dann stehen wir irgendwann gänzlich auf dem
Wasser, welches sich spiegelglatt zeigt. Wir haben Zeit und genießen
den vielleicht letzten Spätsommertag auf dem Peenestrom!
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blinder Passagier und kaum Wind |
Je später wir unterwegs sind, desto
mehr frischt es auf. AKUA nimmt Fahrt auf, so dass wir gerade noch
kurz vor der Dämmerung den Naturhafen Krummin erreichen. Unser
Anlegemanöver holpert erhitzt vor sich hin. Meine Festmacher Achtern
reichen gerade auf den letzten Zentimeter. Wieder achterlicher
Seitenwind. Ich bin genervt davon.
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unruhiger Liegeplatz im Naturhafen Krummin |
Katrin hat Linsensuppe vorgekocht. Was
für ein Service! Sie schmeckt hervorragend. Wir sind beide etwas
erschöpft. So ein Tag auf See lässt eine wohlige Müdigkeit zurück.
Wärmflasche, Koje und schlafen... Aber nicht mit dem Heck im Ostwind
in Krummin! Der Schwell lässt die ganze Nacht das Schiff dröhnen
und vibrieren. Es knallt und ballert unter meiner Koje. Irgendwann
quietscht es penetrant. Das Ruder bewegt sich. Ich muss es umlegen und feststellen,
die Achterleinen nachspannen. Ich finde lange keine Ruhe. Katrin
liegt im Bug meiner AKUA, ein besserer Platz zumindest für diese
Nacht.
Viel zu früh verlassen wir am nächsten
Tag Krummin. Mit Ostwind geht es nun nach Karnin zurück und erneut
durch die Brücke. Die Sonne strahlt, 3 bis knappe 4 bft schieben uns
durchs Wasser. An die Fahrrinne müssen wir uns nicht halten. Ich
verzichte aufs Schwert und wir segeln geradewegs den Peenestrom
hinunter.
Unterwegs machen wir Pause in Rankwitz.
Wir haben noch Zeit bis zum Brückenzug, stärken uns mit Broten und
ich verdrücke mich für ein Stündchen in meine Koje. Die letzte
schlaflose Nacht machte sich bemerkbar.
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Buffet im Cockpit |
An einem Montag zu dieser Jahreszeit
ist nicht mehr viel los auf dem Peenestrom. Ein Segler zieht an uns
vorbei, während wir gerade ablegen. Auch er möchte durch die
Brücke. Katrin und ich schauen uns an. Ob wir den einholen können?
Und sind drauf und dran eine Regatta ins Leben zu rufen. Der Segler
hält sich an die Fahrrinne und wir kürzen schon mal ab. Dann ändert
sich der Kurs und es geht gänzlich mit achterlichem Wind weiter. Mit einer
Selbstwendefock ist es kaum möglich Schmetterling zu segeln. Also
rauf aufs Deck und die Fock mit der Hand ausbaumen. Wie ein
Zinnsoldat stehe ich kerzengerade auf meinem Boot und wir ziehen an
dem Segler in Zeitlupe vorbei. Mir ist das schon fast peinlich, zumal
das Eignerpaar nur unter ihrem Groß unterwegs ist. Das ändert
sich, sobald wir sie in unserem Fahrwasser gelassen haben. Auch sie
holen ihr letztes Tuch raus. Jetzt!! haben wir eine Regatta ins Leben
gerufen! Kurz vor der Brücke hätten sie uns fast gehabt. Wir grüßen
uns endlich und tauschen uns aus. Auch sie liegen in der
Lagunenstadt, wollen über den neuen Hafen in der Stadt Usedom zurück
nach Ueckermünde. Sie halten meine AKUA für eine Dehler 31 und
staunen nicht schlecht, als ich ihnen zurief, dass sie ein
Kielschwerter ist. Sie selbst haben einen Flügelkiel und sind
breiter als wir mit etwas mehr Länge.
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Segelboot vorraus! Ob wir es einholen können? |
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...im Fahrwasser! |
Vor der Brücke haben sich schon einige
Boote gesammelt. Diesmal bergen wir die Segel. Unter Motor wollen wir
sie passieren. Ein Flusskreuzer schiebt sich als erstes Schiff
hindurch. Dann beginnt die Drängelei. Jeder Segler schien als
nächster hindurch zu wollen, um dann so schnell wie möglich hinter
der Brücke in den Wind zu steuern, um die Segel als erster zu
hissen. Das!! ist eine Regatta! Und wir sind so ziemlich die Letzten,
die ihr Tuch oben haben. Einer der wenigen Nachteile meines Bootes:
die Segel bekomme ich nur schwer gehisst, vor allem das Groß, aber
auch mit der Fock quälen wir uns herum. Doch wenn sie einmal gesetzt sind, ist die Welt wieder im Lot!

Parallel zu uns schippert wieder das
Holzboot. Wir segeln höher am Wind als sie, so dass sie immer
dichter kommen und wir leicht abfallen müssen. Wenn wir jetzt wenden und
das Holzboot weiter seinen Kurs segelt, können wir hinter sie
gelangen. Gesagt getan. Doch wir rechneten nicht mit dieser
Besatzung, die plötzlich ebenso mit uns wendet. Zufall? Ah,
Regatta!!! Sie laufen nicht unsere Höhe, was sie ärgern wird. Nun
vergrößert sich unsere Distanz, bis deren Genuaschot laut schlägt
und ihr Vorsegel das große Flattern beginnt. Abgehängt! Am nächsten
Morgen begegnen wir ihnen erneut. Wir kreuzen durch die Haffmündung,
während sie motoren. Ich glaube, sie wollen sich nicht noch mal mit
uns vergleichen, vielleicht haben sie es aber auch einfach nur eilig,
denn der Wind schläft immer mehr ein.
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Am Abend zuvor unser wohlverdientes Mahl während des Sonnenuntergangs in Karnin |
Über das Haff hat sich ein diesiger
Schleier gelegt, kleine Schaumaugen schwimmen auf dem Wasser, Haff
und Himmel gleichen fast einander. Eine wundervolle, vielleicht etwas
wehmütige Stimmung folgt uns. Ja, unsere Reise geht nun zu Ende,
eventuell sogar die Segelsaison? Katrin schüttelt ihren Kopf. Da
kommen schon noch ein paar schöne Tage... Schöne Segeltage mit
schönen Erlebnissen, Abenteuern und Geschichten. Geschichten von
Schrammen und Regatten, spiegelglatter See und herrlichen
Wolkenformationen, von tiefgrünen Ufern oder gelben, Sandbänken und Schwärmen
von Wildgänsen, die zu uns hinunter rufen, dass sie bald
wiederkommen. Geschichten, die nur darauf warten, erlebt zu werden!
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Auf der Suche nach Fischernetzen |
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der Motor muss helfen, wir haben Windstille |
Fakten:
- vom 19.9.2019 bis 24.9.2019
- Ueckermünde - Karnin - Anklam - Krummin - Rankwitz - Karnin - Ueckermünde
- Strecke gesammt: 78,2sm (144,9km)
- Ueckermünde - Karnin 15,3sm (28,4km)
- Karnin - Anklam 7,3sm (13,5km
- Anklam - Krummin 21,5sm (39,9km)
- Krummin - Rankwitz - Karnin 18,5sm (34,4km)
- Karnin - Ueckermünde 15,5sm (28,7km)
- insgesamt 49Euro Hafengebühren (Strom, Wasser und Müll bei allen Häfen inklusive)
- 18l Trinkwasser
- ca. 5l Diesel
- 6 Anlegemanöver
- 2 Schrammen
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