Im Osten geht die Sonne auf...

Atlantiküberquerung Herbst 2014

Fast vier Jahre Langfahrt auf einem Segelboot prägten. Das Maximum an Freiheit erlebte ich auf dem Atlantik, obschon mir besonders dort klar wurde, wie dicht die Gegensätze aufeinander abgestimmt sind. Die Grenzenlosigkeit endete an der Reling des Schiffes. Nur der Blick konnte darüber hinaus schweifen und die Gedanken...

Warten auf den Regenguss - Süßwasserdusche!

Wo würde ich leben, wenn ich eines Tages von Bord dieses Bootes gehe? Jedes neue Land, das ich betrat, begegnete ich mit Neugier und der Frage, ob ich hier bleiben, hier leben könne? Keins war mir recht, auch wenn alle auf ihre Weise faszinierend waren. Sie blieben Fremde.

So schön die Zeit barfuß an Bord war, ich vermisste den Dauerregen und den kalten Schnee, die kahlen Bäume, wenn es Winter wird, das helle Grün das Frühlings, die kräftigen Stämme wirken in dieser Zeit besonders dunkel, fast schwarz. Wie schön es sich anfühlt, wenn die ersten Zugvögel zurückkommen, es eigentlich noch viel zu kalt für eine kurze Hose ist, aber die Geduld bereits arg strapaziert. Die Boote liegen steif an Land. Einer ist mutiger als die anderen und setzt seins schon im Februar rein.
Wenn ich in den Spiegel schaue, sehe ich die ersten Falten. Die Sonne des Mittelmeeres hat sie mir eingebrannt. Bin ich an Land, vermisse ich die See, bin ich auf See, das Land, nur welches?

Noch einmal wollte ich diese Sehnsucht auf die Probe stellen, gerade so als ob ich ein letztes Mal überprüfen wollte, dass ich ohne das Wasser nicht leben kann. Für ein paar Monate stationierte ich mich im Allgäu. So fremd war mir ein Land noch nie. Die Menschen scheinen einen Schatten auf ihren Seelen, Strenge und Härte im Herzen zu tragen. Wovor nur haben sie so viel Angst, die sie mit Abweisung versuchen zu verbergen. Ich glaube das kommt daher, weil sie nicht einfach irgendwohin laufen können, ohne immer wieder Anstrengungen zu unternehmen. Stets steht irgendwo ein Berg herum, den es zu überwinden gilt. Sie können nicht einfach so raus und keiner so einfach rein.

Ich vermisse Salz in meinen Haaren und vertreibe mir die Zeit mit Pfützensegeln. Ein Kompass ist nicht notwendig. Nichts ist hier weit weg, eigentlich ist man beim Ablegen schon angekommen. Selbst das Wasser fühlt sich eingesperrt an. Die Berge darum halten es fest.

Alpsee bei Immenstadt mit Blick auf den Segelverein

Es vergeht kein Tag mehr, an dem ich nicht über eine Varianta nachdenke, rede, sie im www suche. Je länger ich in den Bergen bin, desto weiter weg erscheint mir mein Vorhaben. Immer wieder denke ich, kurz vorm Kauf einer Varianta zu sein und dann war es doch nicht die Richtige.

Das zweite Mal in diesem Sommer bin ich in Ueckermünde. Kurt ist nicht da. Er treibt sich in Schweden rum. Ich schicke ihm ein Foto von seiner Mary Ann. Sie liegt gut verzurrt, meinetwegen auch vertäut, im Yachtclub Ueckermünde. Ein paar Leute machen sich an ihren Booten zu schaffen. Von der Altstadt ist es nicht weit zum Yachtclub. Ich ertappe mich bei dem Gedanken, hier dazu gehören zu wollen, stelle mir vor, wie ich von meiner Wohnung aus zum Boot laufe. Der ein oder andere kennt mich und grüßt zurück. Ich bin schon seit Jahren nicht mehr vertraut gegrüßt worden. Sobald wir irgendwo anlegten, zogen wir auch schon weiter. Die einzige Ausnahme machte der Hafen in Las Palmas. Aber auch dort galt es Abschied zu nehmen. Ich glaube, wenn ich was besonders gut kann, dann mich zu trennen...

Mary Ann im Yachtklub Ueckermünde

Yachthafen Las Palmas

Das Smartphon brummt. Eine Varianta kommt ganz frisch rein. Ich öffne die Verkaufsplattform und blicke auf eine Lady ganz in weiß. Rollreffanlage, Mastrutscher, zwei Außenborder, Bugspriet, Sprayhood, neue Reling, Winterpersenning... Eine Frau erreiche ich am Telefon, sie muss sich schweren Herzens von ihrer Varianta trennen...

Ich sehe mir zu, wie ich den Vertrag unterzeichne - ein Jahr fest zuzüglich drei Monate Kündigungsfrist. So lange war ich seit 2011 nicht mehr an einem Ort. Mitten in der Altstadt von Ueckermünde liegt die neue Wohnung. Aus dem Dachfenster kann ich zum Haff blicken. Zugegeben, mit viel Fantasie, besser mit einem Fernglas. Zwischen den Häusern erkenne ich das ein oder andere Boot im Winterlager. Ich erinnere mich an das Kind im Sand, das ich einmal war, wie es Burgen baut und sehnsüchtig zu den Booten mit den weißen Segeln blickt. Die Sonne brennt auf der von der Mutter eingeölten Haut. Diese Augen! Sie wussten schon damals, wo sie hingehören.


Ueckermünde


Der Himmel ist Wolken behangen und vor allem grau, die Dächer von Ueckermünde nass. Zum Haff möchte ich gehen und keine 1000 km liegen mehr dazwischen. Eines Tages werde ich mit der weißen Lady übers Haff segeln. In wenigen Tagen begegnen wir uns zum ersten Mal. Nicht nur der Name wird sich ändern, auch der Heimathafen: Ueckermünde!

Ich blicke in den Himmel und sehe die Sonne.

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