I have a dream...

Langsam werde ich nervös. Seit Wochen durchstöbere ich sämtliche Bootsverkaufsplattformen. Schon klar, dass ich etwas spät dran bin. Wer gibt schon mitten in der Saison und bei dem tollen Sommerwetter sein Schiff in fremde Hände? Was jetzt noch auf dem Markt zu finden ist, das ging schon im Frühjahr nicht übern Verkaufstisch. Es wird Gründe geben.

Bereits vor knapp einem Monat fuhre ich in die Nähe von Mainz. Es ist wohl die jüngste Varianta 65 die mir persönlich begegnen wird. Erstwasserung soll 1983 gewesen sein, die Segelnummer beginnt mit 37..., schwarzer Mast, original Dehler Main-Drop-System und Sliptrailer, Pinnenpilot und Mastlegevorrichtung, um nur die Eckdaten zu nennen.
Ich starte sozusagen mit einem Filetstück... und werde schneller als gedacht auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Mein letztes Gefühl als ich mich vom Eigner dieses Bootes verabschiedete, bestand überwiegend aus Wut und gleichzeitig versuchte ich Verständnis für diesen gesundheitlich angeschlagenen älteren Herrn zu finden. Alt, kaputt, zerschlissen und unansehnlich – diese Varianta hatte ebenso ihre schönsten Tage hinter sich gebracht und ist nun ein Fall für ein allumfassendes Refit, welches jedoch nicht zum veranschlagten Kaufpreis passt. Ich ziehe schnell von dannen, wortkarg und fassungslos.

In der Nähe des Bodensees liegt noch die ein oder andere Varianta, die ja für ihre Farbenpracht bekannt ist. Dabei wird mir bewusst, dass die Österreicher meist mit ihrem Preisvorstellungen etwas höher liegen, als die Deutschen. Zwingend besser sind die Boote aber nicht. Doch keine will mir so recht zusagen. Ich knicke mir sogar die Fahrten dahin.

Bandit

Es mag wohl daran liegen, dass ich mich noch immer an meine allererste Varianta erinnere. Eine weiße Varianta mit schwarzem Mast, Baujahr 79 in einem wirklich gutem Zustand und mit dem tollen Namen: Bandit. Februar 2012 schlug ich für den Kauf per Handschlag ein. Doch dann kam alles anders... Ich begegnete einem Mann, der ebenso ein Boot wollte, allerdings eins, was doppelt so groß und breit ist, eins, was über den Atlantik segeln sollte. In den Jahren auf Langfahrt hab ich sie nie vergessen, die Bandit. Auch meine Sehnsucht nach den deutschen Gewässern wurde in der Fremde eher geschürt als gemildert.

Und wieder tönt das Smartphone. Eine weitere Varianta kommt rein. Ich hab mein Handy so eingestellt, dass es mich bei jedem Neuzugang informiert. Dabei decke ich die gängigsten Verkaufsplattformen ab, so dass mir im www so schnell kein Neuzugang entgeht. Ich trau meinen Augen kaum. Urplötzlich versetzt es mich fünf Jahre zurück. Da ist sie wieder, eine weiße Lady mit schwarzem Mast...


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